Ansprache anlässlich der Eröffnung der Gedenkausstellung zum 25igsten Todestag des Künstlers in der Galerie im Schallerhaus in Mils.
Sehr geehrte Anwesende, sehr geehrte Familie Staud!
Die großen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen, die das 20. Jahrhundert prägten, blieben selbstverständlich nicht ohne Einfluss auf die künstlerische Entwicklung in Tirol, die in Abwendung von den historischen Stilen neue Wege suchte und fand. Radikaler noch als in der Malerei ist dieser Wandel in der Bildhauerei spürbar, die zu Beginn des Jahrhunderts noch dem an den Akademien in Wien und München vertretenen Naturalismus verpflichtet war, der bestrebt war, dem Naturvorbild so nahe wie möglich zu kommen und allen Einzelheiten im Kunstwerk den gleichen Rang einzuräumen. Den Weg zu einer von Stilnachahmung und Naturalismus freien, durch ihre geschlossene Form und die malerisch bewegte Oberfläche charakterisierten modernen Plastik im Sinne des französischen Impressionismus zeigte der aus Telfes im Stubai gebürtige Ludwig Penz auf. Nach den Wirren des ersten Weltkrieges fand eine neue Künstlergeneration im Expressionismus eine zeitgemäße künstlerische Ausdruckform, in der der seelische Ausdruck Vorrang vor den formalen Problemen der Darstellung hatte.
Vor diesem Hintergrund ist auch das Werk des Bildhauers Josef Staud zu sehen, dessen 25igsten Todestages wir heuer gedenken. Während viele Zeitgenossen des Künstlers heute weitgehend unbekannt sind und ihr Werk auch nicht dokumentiert wurde, verdanken wir der Enkelin Josef Stauds eine umfassende Monografie des Bildhauers, die als Diplomarbeit am Institut für Kunstgeschichte entstanden, leider nur einem kleinen Kreis von Fachleuten bekannt ist. Durch das Engagement der Familie war es nunmehr möglich eine repräsentative Werkschau zusammenzustellen, für die die Galerie im Schallerhaus den geeigneten architektonischen Rahmen bildet und die es einem breiteren Publikum ermöglicht, einen Einblick in das Schaffen des Künstlers gewinnen.
Josef Staud wurde am 26. November 1903 in Steinach als drittes von elf Kindern einer Bauernfamilie geboren und war zunächst in der elterlichen Landwirtschaft tätig, bevor er 1924 in die Kunstgewerbeschule in Innsbruck eintrat, wo er die Fachschule für Holzbildhauer besuchte, die er 1927 als Geselle abschloss. Nach einer mehrjährigen Tischlerlehre trat Josef Staud 1933 in die Staatsschule für Angewandte Kunst in München ein, die er jedoch bereits 1935 auf Grund der politischen Umstände wieder verließ. 1937 kehrt er neuerlich nach München zurück und absolvierte ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste, das er 1941 abschloss. Bereits 1940 hatte Josef Staud Elisabeth Ostermeier geheiratet, die im Büro der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst – einem Künstlervermittlungsbüro – gearbeitet und ihren Gatten während seiner ganzen Schaffensperiode tatkräftig unterstützt hatte. Nach Kriegseinsatz und kurzer Kriegsgefangenschaft lebte der Künstler zunächst in Steinach am Brenner, bevor der mit seiner inzwischen achtköpfigen Familie nach Mils bei Hall übersiedelte, wo er ein Haus mit Atelier baute. Bis 1973 war Josef Staud, der am 26. August 1980 verstarb, wie auch sein ebenfalls als Bildhauer tätiger Bruder Franz, als freischaffender Künstler tätig.
Die prägende künstlerische Persönlichkeit am Beginn von Josef Stauds künstlerischem Schaffen war Hans Pontiller, sein Lehrer an der Kunstgewerbeschule, der ihm sämtliche Techniken in der Holz‑, Stein-. Terrakotta- und Bronzeverarbeitung beibrachte, mit der Besonderheit des jeweiligen Materials vertraut machte und das Verständnis für den menschlichen Körper vermittelte. In seiner Münchner Zeit war Josef Henselmann Stauds Lehrer und nahm für den jungen Studenten eine Vorbildrolle ein, was sich in künstlerischen Arbeiten jener Zeit zeigt. Richard Kecht vermittelte dem Schüler, der diese Erfahrungen auch bei verschiedenen kirchlichen Aufträgen umsetzen konnte, das Bewusstsein für die Einheit von Architektur, Plastik und Malerei. Inhaltlich sind die Arbeiten Josef Stauds, der Zeit seines Lebens ein stiller, bescheidener Künstler blieb, durch seine tiefreligiöse Einstellung geprägt, weshalb sakrale Arbeiten in seinem Oevre auch dominieren. Sein künstlerischer Weg führte ihn vom Naturalismus zu einer expressiven Formensprache. die unter Verzicht auf alles Überflüssige zu Ruhe und Verinnerlichung führte und durch kantige Umrisse, schmächtige, maniriert überlängt anmutende Körper und regungslose Gesichtsausdrücke ohne individuelle Merkmale charakterisiert wird. Frei von festgelegten ikonographischen Vorbildern und Bildprogrammen gelang dem Künstler eine eigenständige Interpretation der biblischen Aussage, die er nach seinem persönlichen Empfinden umsetzte. Stauds künstlerisches Suchen und Ringen war wesentlich von einer biblisch begründeten Sicht des Menschen als „Abbild Gottes“ begründete, weshalb er stets den Menschen in seiner individuellen, religiösen sowie sozial-politischen Ausdrucksfähigkeit veranschaulichen wollte und diesem Bild des Menschen auch zeitlebens seine gestalterischen Bemühungen galten, Seine große künstlerische Leistung hegt. In der zeitgemäßen Ausstattung moderner und historischer Sakralbauten, deren Geist er intuitiv aufnahm und in seinen künstlerischen Arbeiter umsetzte.
Aus der Fülle seines künstlerischen Schaffens kann in aller Kürze nur auf die wichtigsten Arbeiten verwiesen werden, so den Hochaltar in der Klosterkirche der Ewigen Anbetung(1948), die Erkerfiguren am Bauernbundhaus (1953), das Kriegerdenkmal in der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Rotholz (1954), das Kruzifix im Bundesoberstufenrealgymnasium in Innsbruck (1956), die Seitenaltäre im Innsbrucker Priesterseminar (1956), der Hochaltar und die Seitenaltäre für die St. Josefskirche in Klagenfurt (1957÷58), die künstlerische Ausgestaltung der Pfarrkirche Eben im Pongau (1960÷65), das Hochaltarrelief der Pfarrkirche in Pfunds (1961), den Schrein für das Gnadenbild (1962) und den Taufsteindeckel (1963) in der Wallfahrtskirche sowie die Bronzetüren der Leichenkapelle in Serfaus (1967), die Altäre in der Kirche des Missionshauses St. Rupert in Bischofshofen (1965), das Bronzerelief im Priesterseminar in Mainz (1968).
Seine handwerkliche Grundausbildung befähigte den Künstler sich auch als Maler zu betätigen, wovon einzelne Wandfresken und die Glasmalereifenster in der Grillhofkapelle in Vill (1961) Zeugnis ablegen. Neue künstlerische Möglichkeiten boten sich für Josef Staud auch durch die im Zuge der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils notwendig gewordene Um- bzw. Neugestaltung des Presbyteriums, wovon zahlreiche von ihm geschaffene Volksaltäre, Ambonen, Tabernakel, Taufsteine und Sedilien künden.
Neben diesen großen öffentlichen Arbeiten waren es insbesondere die Weihnachtskrippen, mit denen sich Josef Staud seit seiner Kindheit beschäftigte. Wie bei vielen anderen Künstlern stand auch bei ihm die Beschäftigung mit der Thematik des Weihnachtsevangeliums am Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit und führte ihn von traditionellen volkstümlichen Krippenfiguren zu einer neuen Krippenkunst, die sich auf das Wesentliche beschränkt.
Reinhard Rampold
siehe auch: Josef Staud