
Es wird wenige überraschen, dass Semino Rossi auch heuer wieder zu den Nominierten des „Amadeus Austrian Music Award“ – des größten österreichischen Musikpreises – gehört (Bereich Schlager). Weit weniger bekannt sein dürfte, dass es eine junge Milserin ebenfalls zu einer Nominierung schaffte: Petra Lechner mit dem Künstlernamen „HANNAH“ ist in der Kategorie „Volkstümliche Musik“ vertreten. Dabei trennen sie zu den ebenfalls nominierten (weniger Andreas Gabalier als Hansi Hinterseer, Die Jungen Zillertaler und Marc Pircher) Welten in musikalischer und inhaltlicher Hinsicht. Denn wenn man sie schon einordnen wollte, dann wohl noch am ehesten in das Genre „Neue Volksmusik“, das Elemente der Volksmusik in neuem Kontext setzt und mit Rock, Pop und Folk zu verbinden versucht, geschaffen von einer neuen Generation von Musikern, die mit zeitgenössischer Musik in den verschiedensten Spielarten sowie der traditionellen Musik ihrer Region aufgewachsen sind.
Aber sie will sich ohnehin nicht „schubladisieren“ lassen. Weder mit ihrer Musik, mit ihrem Outfit oder ihrer Lebensweise. Wer ihr begegnet, verscheucht gleich alte Bilder volkstümlicher Haudegen (Oberkrainer etc.): Ein Tattoo von einem (schwarzen) Tiroler Adler auf der Kopfhaut, modisch gestylt, bei ihren Bühnenshows in selbstgeschneiderten Kleidern mit dem Tiroler Adler als wiederkehrendes Motiv, vorwiegend im Dialekt singend – eine Frau auf der Suche nach Orientierung im Chaos der heutigen Lifestyle-Optionen oder ein Chamäleon der Volksmusik? Mitnichten. Schon immer recht eigenwillig, will sie einfach ihren eignen Weg gehen, so sein können, wie sie ist, sich nicht von Konventionen erdrücken lassen. Sie verbindet eben Heimatbewusstsein (was für sie Familie, Bergwelt und kulturelle Eigenheiten bedeutet) und Tradition auf ihre eigene Weise. So weigert sie sich im Dirndl aufzutreten, um nicht ein klischeehaftes Tirol- und Frauenbild zu repräsentieren, das gerade in der Schlagerszene häufig bemüht wird, will keine Scheinweltverkäuferin sein, sondern sich vielmehr als selbstbewusste Frau in einer modernen Welt positionieren.
„Meine Lieder schreibt mein Leben“, sagt sie – eine Anspielung auf ihr Beziehungsdrama, als ihr Mann plötzlich die Koffer packte, das Konto leer räumte, jahrelang unauffindbar war und sich jeder Verantwortung für die Familie entzog. Diese Situation prägte sie, ließ sie zur „starken Frau“ reifen, die aus Verletzung Identität zu stiften imstande war.
Und da bot sich eben die Musik als wertvolles Ventil dar, als Sprache der Seele, die angestaute Gefühle und Erlebnisse zu verarbeiten vermag. Und so ist „Es muss aussa“ bezeichnender Weise auch der Titel ihres ersten Albums. Wenn sie in ihren Liedern (die fast alle selbst getextet sind) Gefühle wie Trauer, Liebe oder Freude anspricht, vermag sie ihre Zuhörer zu erwischen und in ihre Welt zu ziehen, animiert sie das Publikum eher zum still werden, zum genauer Hinhören als zum Mitklatschen im „Musikantenstadl-Stil“.
Aggressiver, temperamentvoller und mutiger geriet das zweite Album. Der Titel „Weiber, es isch Zeit“ lehnt sich bewusst an den Schlachtruf von Andreas Hofer an und soll die Frau von heute ermuntern, noch mehr in den Vordergrund zu treten und zu zeigen, „dass wir Weiber stark sind, aber ebenso verletzlich und gefühlvoll. Das macht die moderne Frau aus“(Zitat Pressetext).
Sie weiß selbst, dass ihre Art auf manche provozierend und/oder polarisierend wirkt. Sie hat auch schon erfahren, dass Erfolg Reibungen und Irritationen nach sich zieht (wer weiß schon wirklich, wie viel Zeit und Arbeit sie in ihren Job investieren muss?). Damit kann sie leben, sagt sie, will sich im Haifischbecken der Musikscene nicht unterkriegen lassen, denn ihre Lieder sowie ihr Leben sollen ihre eigenen Werte und Ansichten widerspiegeln und nicht die, welche andere gerne hätten.
Steckbrief
Geboren am 7.5. 1981 in Hall i.T. als 2. Kind der Milser Hans und Margit Lechner. Volksschule im Mils, Gymnasium in Hall. Schon als Kind träumte sie von einer Karriere als Sängerin, trat mit 6 Jahren dem Oswald Milser Kinderchor bei und verfolgte dieses Ziel mit der ihr eigenen Zähigkeit und Zielstrebigkeit.
Nach der Matura zweijährige Ausbildung an der „Powervoice Academy“ in Hannover. Nach ihrer Rückkehr Gesangslehrerin und Sängerin, Gründung einer Gesangsschule in Hall (seit 2012 im Gewerbepark mit eigenem Tonstudio) und Engagement in Mils als Leiterin des Oswald Milser Kinderchores und des Frauensingkreises.
2004 Hochzeit, Kinder Noah und Salome.
2010 schickte sie eine Gesangsdemo (zu Hause mit Klavierbegleitung und einfachem CD-Brenner aufgenommen) an den Produzenten Willy Willmann, bekam innerhalb einer Woche einen Plattenvertrag und trat zwei Monate später beim „Grand Prix der Volksmusik“ auf. Einigung auf den Künstlernamen HANNAH – Petra (Frey) war schon vergeben.
Zwei Alben: „Es muss aussa“, „Weiber, es isch Zeit“ (soeben mit „Gold“ ausgezeichnet).
Josef Waldner 4.4.2014