Buchveröffentlichung von Christian Pittl

Im Novem­ber 2020 prä­sen­tier­te Chris­ti­an Pittl sein Erst­lings­werk. Unter dem Titel „Zwi­schen Vogel­scheu­che und Haken­kreuz“ erzählt er von kurio­sen Ereig­nis­sen in der Nazi­zeit im dörf­li­chen Milieu, das geprägt ist von jugend­li­cher Arg­lo­sig­keit, bit­te­ren Kriegs­er­fah­run­gen und einer Läu­te­rung hin zu frei­em und ver­ant­wor­tungs­vol­lem Leben.

In der Zeit­schrift „Taran­tel“ erschien unter dem Titel „Vom lis­ti­gen Wider­stand“ eine aus­führ­li­che Rezen­si­on, die mit der Con­clu­sio schließt, “ Uns Nach­ge­bo­re­ne treibt ja (soweit man nicht ganz abge­stumpft gegen­über der nahen Zeit­ge­schich­te ist) die Fra­ge um: Wie konn­ten unse­re Alt­vor­de­ren einem Schrei­hals wie Hit­ler und des­sen Anhang mit gera­de­zu hys­te­ri­schem Pathos fol­gen? Chris­ti­an Pittls Buch ist ein Puz­zle-Stein, damit unser­eins ahnen kann, wie dies „funk­tio­nier­te“…“

Der Inhalt wird wie folgt beschrieben:

Es ist ein gut geschrie­be­ner „schnör­kel­lo­ser“ Text, der in zwei (oder doch drei?) Abschnit­ten mit Schwe­jkia­den von Jugend­li­chen in einem Tiro­ler Dorf beginnt. Bei einer Buch­emp­feh­lung soll nicht zu viel vom Inhalt berich­tet wer­den, um die Span­nung nicht vorwegzuneh­men, doch bereits die ein­lei­ten­de Geschich­te MUSS ein­fach berich­tet werden:

Der Erzäh­ler ist zur Zeit des Ein­marschs der Hit­ler-Trup­pen im März 1938 13 Jah­re alt. Er und sei­ne zwei jün­ge­ren Brü­der sol­len eben­so zur HJ (= Hit­ler-Jugend) wie sein bes­ter Freund, der Sohn des Nach­bar­bau­ern. Der Vater hat eben eine Vogel­scheu­che gebas­telt, die im Sta­del auf ihre Auf­stel­lung am Feld war­tet. Als die Buben wie­der ein­mal zu einem Heima­bend der HJ sol­len, mar­schiert der Nach­bar­bub mit der Vogel­scheu­che vor­an und sei­ne Freun­de hin­ter­drein durch das Dorf. Sie skan­die­ren: ‚Wir wol­len nicht zur HJ!“ Sie wer­den natür­lich sogleich denun­ziert, und kurz da­rauf kommt der Dorf­gen­darm (nun Poli­zei­be­diens­te­ter) ins Haus, um die Arg­lo­sen „ins Gebet“ zu neh­men. Er macht sie (in stren­gem Ton) dar­auf auf­merk­sam, in wel­che Gefahr sie mit die­ser Akti­on nicht nur sich selbst brin­gen, son­dern vor allem auch ihre Eltern.

Am nächs­ten Tag müs­sen die Buben in Inns­bruck bei der Poli­zei zum Ver­hör erschei­nen (haben viel­leicht die Eltern eine regime­kri­ti­sche Ein­stel­lung?). Der Dorf­gen­darm in­struiert sie zuvor, wie sie auf Fra­gen ant­wor­ten sol­len. Sie wer­den ein­zeln zum Ver­hör her­ein geholt. Die klei­neren Brü­der kom­men wei­nend wie­der her­aus. Auf die gehäs­sig gebrüll­te Fra­ge an den Erzäh­ler, war­um er und sei­ne Geschwis­ter sich wei­gern, zur HJ zu kom­men, lau­tet die Ant­wort, dass „der Herr Füh­rer“ Buben brau­che, die zum Schie­ßen und Kämp­fen aus­ge­bil­det wer­den und nicht zum Stramm­ste­hen usw.

Ab nun wech­selt die Bös­ar­tig­keit der Nazi-Beam­ten zu Freund­lich­keit. Aber jetzt haben die Buben kei­ne Aus­re­de mehr, um nicht wie­der die HJ-Zusam­men­künf­te zu besu­chen. Als sie dort beim nächs­ten Mal auf­tau­chen, gibt es zwei vom „Onkel bei der Gesta­po“ gesand­te Kara­bi­ner. Doch die Buben haben wei­ter­hin kei­ne Lust, ihre Zeit bei HJ-Tref­fen zu ver­geu­den. Da hat des Nach­barn Sohn eine erstaunli­che Erkennt­nis: Das Nazi-Sys­tem ist streng hier­ar­chisch struk­tu­riert. Was steht über der HJ? Doch sicher die Land­wirtschaft! Daher bekommt der „Rot­ten­füh­rer“ zu hören: Zum Woh­le des Rei­ches muss jetzt die Ern­te ein­ge­bracht wer­den, und da feh­len jetzt unse­re hel­fen­den Hän­de… Dar­auf weiß der „Rot­ten­füh­rer“ nichts mehr zu sagen und lässt (einer­seits zäh­ne­knir­schend, ande­rer­seits aufat­mend, denn wer woll­te damals schon etwas mit jeman­den zu tun haben, der einen „Onkel bei der Gesta­po“ hat­te?) die Buben­ban­de zie­hen, die bis zum Kriegs­en­de von der HJ unbe­hel­ligt bleibt.

Ab der Hälf­te des Buches kommt es gewis­ser­ma­ßen zum „Bruch“: Der Held der Geschich­te kann sich als 18jäh­riger der Ein­be­ru­fung zur Wehr­macht nicht ent­zie­hen. Erst jetzt erfährt er auch (erstaunt), dass sein älte­rer in­trovertierter Bru­der schon 1937 der ille­ga­len NSDAP vor­über­ge­hend bei­getre­ten ist und an deren Aktio­nen teil­ge­nom­men hat. Doch kaum ist die­se Par­tei in der „Ost­mark“ an der Macht, beginnt er sich ent­täuscht von ihr zu distan­zie­ren. Er fällt bereits im ers­ten Jahr des Krie­ges in der Sowjet-Uni­on. Und nun geschieht, was vie­le Eltern und Groß­el­tern ihren Kin­dern und Enkeln nach der Befrei­ung vom Faschis­mus berich­te­ten, auch dem Erzäh­ler: Durch die all­ge­mei­ne Eupho­rie, die bei den meis­ten auf­grund der ers­ten Sie­ge in den (völ­ker­rechts­wid­ri­gen) „Blitz­krie­gen“ ent­stand, wird auch er selbst zum Nazi. Nicht lan­ge. Auf­grund sei­ner eige­nen Kriegs­er­leb­nis­se (die zur Fol­ge haben, dass ihm wegen arger Erfrie­run­gen bei­na­he sei­ne Bei­ne ampu­tiert wer­den) kehrt er wie­der zur ursprüng­li­chen Geg­ner­schaft zum Régime zurück… Mit Selbst­iro­nie und Glaub­wür­dig­keit wird das alles er­zählt. Bei den Strei­chen der Jugend­li­chen zu Beginn der Geschich­te kamen mir zuwei­len Zwei­fel, ob die­se wirk­lich „wahr“ sein konn­ten – gegen Ende des Buches (sogar mit so etwas wie „hap­py end“) wird das Rät­sel gelöst.

 

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