MILSER GESCHICHTE(N)
bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
Ein vergessener Milser Schriftsteller
In einem mir überlassenen Manuskript aus dem Jahre 1957 für ein „Walde-Heft“ (ein heimatkundliches Sammelwerk über die Gemeinden Tirols) schreibt Hofrat Dr. Hans Hochenegg, damals Oberstaatsbibliothekar in Innsbruck und auf Grund seiner Studien und Interessen profunder Kenner seiner Zweitwohnsitzgemeinde Mils, auch über den aus Mils stammenden und in seiner Heimat völlig vergessenen Priester und Schriftsteller Dr. Josef Huber.
1797 war in München ein Buch „Isidor, Bauer zu Ried – eine Geschichte für das Landvolk wie auch für unsere Bürger in Märkten und Städten, verfasst vom Pfarrer in Au“ erschienen. Die, laut Hochenegg, schlichte, lehrhafte Erzählung über das Leben einer gottesfürchtigen, durch das Schicksal schwer geprüften und auf Grund ihrer Tüchtigkeit wieder zu Wohlstand gelangten Bauersfamilie, wurde zu einem bayrischen „Bestseller“ und auch in Tirol gerne gelesen. Der Verfasser war offensichtlich ein guter Kenner des Volkslebens, der durch seine Figuren dem Leser einen ausgezeichneten Einblick in das Leben und die soziale Struktur der ländlichen Bevölkerung seiner Zeit bot. Eine wichtige Aufgabe sah der Erzähler aber auch in der genauen Analyse von Situationen und Charaktereigenschaften, um damit lehrhaft den Leser mit Ratschlägen zu den verschiedensten Lebensbereichen, wie Religionsausübung, Kindererziehung, dem Umgang mit Dienstboten und der Durchführung von Handelsgeschäften zu versorgen. Sogar in den ureigensten Bereichen der Landwirtschaft, wie der Viehzucht und dem Obstbau, bewies sich der Autor als Fachmann, der nicht davor zurückschreckte, auch hier seine beachtenswerten Tipps und Hilfestellungen anzubieten.
Angeregt durch einen Hinweis in der Landesbeschreibung Stafflers (Joh. Jak. Staffler, Das deutsche Tirol, Band 1, 1847) suchte Dr. Hochenegg nach dem Werk in Innsbrucker und Münchner Büchereien und konnte schließlich mehrere Exemplare in einem Münchner Antiquariat erwerben. Beeindruckt von der erzieherischen Qualität der Erzählung veröffentlichte er sie 1916 gekürzt und neu bearbeitet als Jahresgabe der Klagenfurter St. Josefs-Bücher-Bruderschaft.
Bei Nachforschungen nach dem inzwischen offensichtlich vergessenen Autor studierte Dr. Hochenegg verschiedene Pfarrarchive in Tirol und Bayern, Abhandlungsprotokolle nach Erbverhandlungen am Gericht in Thaur und bayrische Literaturabhandlungen. Bereits Staffler hatte in seiner Landesbeschreibung angeführt, dass Dr. Josef Huber Tiroler war und aus Mils bei Hall stammte.
Dr. Josef Mathias Huber wurde am 18. März 1740 in der Milser Pfarrkirche als Sohn des Müllermeisters Johann Hueber und der Anna Pröller getauft.
Ob der Vater, wie Dr. Hochenegg schreibt, Pächter der damals noch zum Ansitz Hirschenlust (im Besitz des Regelhauses Innsbruck) gehörenden Mühle am Grienegg war und später mit seiner Gattin den „Gramentlhof“ (im Bereich des heutigen Haupthauses des Sozialen Zentrums St. Josef) erwarb und dabei möglicherweise den Hofnamen (G)schlösslmiller mitnahm oder (wie aus Herbert Zimmermanns Anmerkungen in seiner Höfegeschichte im Dorfbuch Mils geschlossen werden könnte) in den bereits seiner Gattin (Witwe nach Christoph Adam Morandel; Sekretär des Stiftes und des Regelhauses) einheirate, habe ich trotz genaueren Nachlesens noch nicht herausfinden können.
Tatsache ist allerdings, dass beim Tod des Vaters 1774 der Alleinbesitz an die Mutter Anna Hueber, geb. Pröller überging und Josef Mathias Hueber an der Verlassenschaftsabhandlung nicht teilnehmen konnte, weil er bereits Doktor der Theologie und Pfarrer in Au bei Freising (in der Hallertau nördlich von München) war.
Auch drei andere der acht Kinder konnten an der Verhandlung nicht teilnehmen, weil sie inzwischen in Bayern ansässig waren.
Laut der Pfarrchronik von Au und einem Dr. Hochenegg vorliegenden Nachruf aus dem Jahr 1804 hatte Dr. Huber in Dillingen und Ingolstadt studiert und von 1765 bis 1792 die Pfarre in Au betreut, bevor er aus Krankheitsgründen zurücktrat, um sich verstärkt seiner schriftstellerischen Tätigkeit zu widmen. 1799 übernahm er die Pfarre Ebersberg (ca. 30 km östlich von München, 30 km nördlich von Rosenheim), wo er am 13. September 1801 verstarb.
PS: Dr. Josef Hubers Weg vom Müllersohn in Mils zum Theologiestudenten in Dillingen und Ingolstadt und schließlich zum Pfarrer von Au (heute Marktgemeinde und Zentrum des Hopfenanbaus) und schließlich Ebersberg (heute Stadt im gleichnamigen Landkreis) zeigt die engen sozialen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Tirol und Bayern, vor allem in den Zeiten zwischen den von den Herrschenden provozierten Konflikten. In der Tiroler Landesausstellung 1993 auf der Festung Kufstein wurden diese intensiven Kontakte herausgearbeitet und im Ausstellungskatalog unter dem Titel „Bayerisch-Tirolische G’schichten“ präsentiert.