MILSER GESCHICHTE(N)
bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
Mils und seine Funde
Am 14. Mai informierte der Archäologe Dr. Alexander Zanesco im Rahmen eines Vortrages der Stadtarchäologie Hall über die sensationellen Ergebnisse der Grabungen in St. Magdalena im Halltal.
Die dabei entdeckten Überreste von prähistorischen gewerblichen Anlagen zur Salzversiedung dürften an die 2600 Jahre alt sein und werfen ein völlig neues Licht auf die geschichtliche Entwicklung unserer Region und damit auch unserer Heimatgemeinde. In eindrucksvoller Weise erläuterte Dr. Zanesco die Schwierigkeit der Ausgrabungen und vor allem den Umfang der wissenschaftlichen Nachbearbeitung und Aufarbeitung der Fundstücke.
Die – leider nur sehr wenigen – Milser Zuhörer waren überrascht von der Dimension der noch zu bearbeitenden Fläche im Bereich der Rodungsinsel von St. Magdalena, wo noch für viele Jahre und Jahrzehnte intensive Grabungsarbeit und aufregende Ergebnisse erwartet werden können.
Für uns Milser besonders interessant waren seine Ausführungen zu der von mir im April beschriebenen „Wallburg“ am Rande der Milser Eben, dem so genannten Usterberg. Das geschulte Auge des Profis entdeckte dabei einige viel versprechende Hinweise auf eine, möglicherweise prähistorische Siedlung, die in direkten Zusammenhang mit dem Salzabbau im Halltal gestanden haben könnte.
Die in den wenigen Literaturhinweisen verwendete Ortsbezeichnung „Haslacheck“ ist für mich allerdings irreführend und offensichtlich falsch, befindet sich doch die Fundstelle nicht im Haslach, sondern eindeutig auf der Milser Eben am südlichen Ende der Waldparzellen Wp. 1562 ‑1564.
Diese sind auch laut dem von Dr. Hans Hochenegg in der Schriftenreihe „Tiroler Heimat“ XIX, 1955 veröffentlichten und auf dem Maria-Theresianischen Kataster beruhenden Parzellenprotokoll Teil der Eben und liegen in allernächster Nähe zur „Lack“, einer leichten Senke wenige Meter vom Abhang entfernt. In dieser Senke sammelt sich – obwohl heute großteils verlandet -, das Schmelz- und Regenwasser und bildet ein interessantes Kleinbiotop. Von mir befragten „noch“ älteren Milsern war der Flurname „Haslacheck“ für das angegebene Gebiet nicht bekannt.
Durchforstet man die Literatur nach aussagekräftigen Funden über die geschichtliche Entwicklung unserer Gemeinde, so fällt die an sich geringe Zahl der Fundstücke auf. Dies verwundert umso mehr, weil unsere Region vor allem in der Spätantike ein stark genützter und bereits gut erschlossener Lebensraum war.
In seiner Arbeit „Beiträge zur Quartärgeologie des Inntales“ (Jb. der Geolog. Bundesanstalt Wien, 1954) verweist der Tiroler Geologe W. Heißel auf Knochenfunde in einer Schottergrube im Sandegg, die aber vermutlich von einem Elch stammen.
Im Bett des Weißenbachs, im Bereich der „Kriegerkapelle“ knapp nördlich der Weißenbachbrücke, fand Dr. Hans Hochenegg 1936 eine bronzene Fibel (Gewandnadel nach dem Prinzip einer Sicherheitsnadel) aus der La Tene-Zeit (Jüngere Eisenzeit, 5. Jh. – 1. Jh. vor Christus), die möglicherweise angeschwemmt worden war.
Bei Wasserleitungsarbeiten im Oberdorf (südlich des Dorfbrunnens) wurden 1912, 1914 und 1943 beigabenlose Skelette gefunden. Sie wurden zuerst auf Grund verschiedener Hinweise und Parallelen zu Funden in anderen Gegenden ins Frühmittelalter datiert. Beobachtungen anderer Fundstellen und die Entwicklung der Totenausstattung in süddeutschen Reihengräberfeldern führten zur Annahme, dass auch die Milser Gräber nicht vor dem 7. Jahrhundert angelegt worden waren. Später im angrenzenden Manggarten beim Bau des Feuerwehrhauses entdeckte Skelette wurden C14 analysiert und dabei wurde der Zeitpunkt der Grablegung in der spätrömischen Kaiserzeit in einen Zeitraum von 210 – 330 nach Chr. festgelegt. Ob ein 1995 im Unterdorf beim „Wasten“ gefundenes beigabenloses Skelett genauer untersucht wurde, ist mir nicht bekannt. Ich lasse mich gerne belehren!
In unserer Schulzeit wurde uns oft von weiteren historischen Besonderheiten erzählt. Die geheimnisvollsten Bauwerke waren wohl die unterirdischen Verbindungsgänge zwischen den Milser Ansitzen und Burgen. Ein Gang soll dabei sogar unter dem Inn hindurch bis zum Ansitz Kolbenthurm in Volderwald geführt haben. Der bei diesen Erzählungen oft als Beweis für die Existenz der geheimnisumwitterten Gänge erzählte Vorfall eines Einbruchs eines Fuhrwerks samt Pferd beim „Binter“ in der heutigen Lorerstraße erhöhte für uns den Wahrheitsgehalt der Erzählungen. Der wahre Hintergrund für die Geschichte könnten, wie bereits einmal beschrieben, mit Sand fein ausgekleidete natürliche Abflussrohre der Oberflächenwässer des Schwemmkegels sein, wie sie beim Neubau des Steinbrückenwegs und in der Schottergrube der Grundzusammenlegung am Remmlrain gefunden wurden.
Einer der interessantesten Funde in unserem Gemeindegebiet ist allerdings nicht einer der archäologischen Art. Der Priester und bekannte Käferforscher Josef Ammann (geb. 6.8.1873 in Tannheim) verbrachte die letzten 12 Jahre seines Lebens in Mils und machte auch hier einige bemerkenswerte Funde. Er war in naturwissenschaftlichen Fachkreisen für seine heimatkundlichen Forschungen im Bereich der Käferkunde bekannt und geschätzt. Ein von ihm in einer früheren Pfarrstelle (Ochsengarten) gefundener Kurzflügler (Phyllodrepa Ammanni) wurde 1940 nach ihm benannt. Seine umfangreiche Sammlung ist heute ein wertvoller Bestand der Biologischen Sammlungen des Paulinums in Schwaz, wohin sie mit anderen Sammlungen nach der faschistischen Vertreibung der Nord- und Osttiroler, sowie Vorarlberger Lehrer und Schüler aus dem Vinzentinum in Brixen gebracht worden war. Dort wurde sie über Jahrzehnte von Milser Biologieprofessor Dr. Sigismund Attlmayr betreut. Sein besonderer Schatz war ein von Amann am Waldrand des Haslachs 1930 hinter der Rinde eines Föhrenstrunks gefundener kleiner Käfer mit dem Namen Rhipidius quadriceps (Entomologische Blätter, 1930).
Der Fund blieb laut den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen der einzige in ganz Österreich.
P.S.: Dieser kleine Käfer, der von Prof. Attlmayr immer wieder stolz präsentiert wurde, brachte mir in meiner damaligen Schule von meinen Mitschülern den Spitznamen „Aphodius Milseri“ ein, war doch ein weiterer Schatz der Käfersammlungen ein vom früheren Regens Professor Kofler gefundener Käfer mit dem Namen „Aphodius Kofleri“
Quelle: Dorfblatt Mils 08–2009