MILSER GESCHICHTE(N)
bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
In eigener Sache: Die intensive Suche nach Material für meine monatlichen Geschichten führt natürlich auch dazu, dass ich auf Artikel, Bearbeitungen und Eintragungen verschiedenster Autoren stoße. Soweit es mir möglich ist, weise ich immer auf den mir bekannten Erstautor hin. Viele der behandelten Themen wurden selbstverständlich schon von erfahrenen Historikern, Chronisten und Schreibern recherchiert, erhoben, kopiert, übernommen und veröffentlicht. Meine Zielsetzung beim Start dieser Artikelserie war aber weniger eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Dorfgeschichte, als eine unterhaltsame, aber fundierte Sammlung von kurzen Geschichten und Beiträgen zur Entwicklung unseres Dorfes.
Die „Wallburg“
In unserer Jugend gab es im Bereich des Milser Haslachs mehrere mit Geheimnissen verbundene Plätze, die unsere Phantasie und Abenteuerlust immer wieder anregten. Neben der so genannten „Katzengoldgrube“ (einer aufgelassenen kleinen Schottergrube), dem bereits zugeschütteten Luftschutzstollen des 2. Weltkrieges, den eigenartigen Konglomeratbänken („Sommergfriar“) bei der Quelle und den Geschichten um den Moasnbichl waren es auch die geheimnisvollen Wälle am südlichsten Spitz des „Hinterdickets“, die heute durch eine in den letzten Jahren durchgeführte Durchforstung der Umgebung wieder besonders gut zu erkennen sind.
Diese an der Kante der Gnadenwaldterrasse gelegenen künstlichen Aufschüttungen markieren genau jenen Punkt, wo die von der Walderkapelle südostwärts laufende Geländekante der Terrasse eine kleine, nach Süden vorspringende Geländezunge bildet und dann nach Osten abbiegt. Auf einer Seehöhe von ca. 800 Metern wird dieser Vorsprung durch drei breite, durch Gräben getrennte Wälle vom nördlichen Hinterland abgetrennt.
In den Vorbereitungen für meine geographische Hausarbeit (1979) fand ich nur einen schriftlichen Verweis auf eine Behandlung der Fundstätte in der Literatur (Oswald Menghin, 1942). Offensichtlich war es wegen fehlender Funde auch damals nicht möglich, das Alter, den Zweck und die Bedeutung der schon überwachsenen Erdwälle einzuschätzen. Auch die vielen aus der Zeit vor und nach den Weltkriegen stammenden Übungsstellungen und Schützengräben von Kaiserjägern, Landesschützen, Böhmischem Landsturm, Bundesheer der Ersten Republik, Deutscher Wehrmacht, Franzosen und Amerikanern im „Milser Aichat“, aber auch in der „Planitz“ ( zwischen den beiden vom Mooskreuz zur Bogner Aste und zum Schiachlegg führenden Waldwegen) erschwerten wohl eine sichere historische Einordnung der versteckten „Befestigungsanlage“.
Ein zufälliger Besuch im Museum der Burg Güssing im Burgenland vor zwei Jahren weckte aber mein neuerliches Interesse. Das Museum widmet einen großen Teil seiner Ausstellungsfläche den langjährigen Auseinandersetzungen an der deutsch-ungarischen Siedlungsgrenze. Modelle verdeutlichen die verschiedenen Befestigungsanlagen und Verteidigungsstellungen in oder in der Nähe der Siedlungen an dieser hart umkämpften Grenze. Mir fiel schon bald die Ähnlichkeit dortiger kleiner Anlagen mit unseren Erdwällen am südwestlichen Schnittpunkt der Gnadenwaldterrasse auf. Die von mir aus dem Museumsbesuch und den folgenden wiederholten Begehungen dieses Teils der „Milser Eben“ gezogenen Schlüsse sind aber reine Spekulation und vielleicht auch nur „patriotisches Wunschdenken“ – man will ja die Bedeutung des Heimatortes besonders herausheben.
Offensichtlich und auch gut argumentierbar handelt es sich bei diesem, vielleicht auch archäologisch nicht ganz uninteressanten Bauwerk um einen so genannten „Abschnittswall“ (auch „Abschnittsbefestigung“), d.h. eine Befestigung, die den zu verteidigenden Bereich nicht zur Gänze umfasst. Diese Anlagen wurden häufig an besonders ausgesetzten Stellen wie Geländevorsprüngen und Flussschleifen errichtet. Weniger überzeugend ist schon allein wegen der geringen Ausdehnung des Werks eine Deutung als mittelalterliche Wallburg.
Bis zu meinem Besuch im Museum war ich immer der Meinung, dass die vom Sporn leicht rückwärts versetzten Wälle als Befestigung gegen den Abhang nach Süden wirken sollten. Der Vergleich mit den ausgestellten Exponaten ließ für mich aber nur den Schluss zu, dass die Wälle eine direkt auf der Geländezunge angelegte Befestigung (vielleicht auch einfache Unterstände) nach Norden hin abzudecken hatten. Dabei dienten sowohl der steile Abhang zum Haslach als auch die in west-östlicher Richtung verlaufenden Wälle als natürliche, beziehungsweise künstliche Abwehrstellung, die durch in den Boden gerammte, vorne zugespitze Baumstämme (Igelstellung) und einen möglichen Palisadenzaun zusätzlich abgesichert wurde. Die exponierte Lage der Anlage auf dem vorspringenden Geländesporn ergab eine perfekte Beobachterposition nicht nur über das Dorf selbst, sondern über das gesamte mittlere Inntal, ohne dabei selbst besonders aufzufallen.
Es dürfte sich dabei allerdings nur um eine zeitweilig und bei besonderer Gefahr genutzte Anlage gehandelt haben. – Den häufigen Rückzug der Milser Bevölkerung bei Gefahr in den Wald und das dahinter liegende Gebirge habe ich schon im letzten Sonderheft beschrieben -. Genauere Kenntnisse über das tatsächliche Alter der Anlage, ihre Ausdehnung und vielleicht sogar ihren Zweck könnte eine von der Gemeinde in Auftrag zu gebende Suchgrabung ergeben.
Quelle: Dorfblatt Mils 04/2009