MILSER GESCHICHTE(N)
bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
Während der Vorbereitungen auf einen 3‑Tagesaufenthalt am Halleranger meiner ersten Klasse am BRG Schwaz stieß ich in der Fachliteratur über den „Bergbau im Karwendel“ auf die Ortsbezeichnung „Milser Kar/Khar“. Nach einigen eigenen Recherchen in diversen Bibliotheken wandte ich mich an Herbert Zimmermann um weitere Informationen. Neben einer ausgiebigen Literatur- und Zitatenliste verwies er mich auch auf einen Band seiner Schriftenreihe „Kunterbuntes aus Mils“, in dem er bereits 1986 ausführlich über die „Milser Alm“ berichtet hatte.
Im Laufe des Sommers entschloss ich mich, nach Rücksprache mit der Redaktion dieser Zeitung, Milser Geschichte(n) mehr oder weniger regelmäßig für das Dorfblatt zu bearbeiten und zu erzählen. Als Grundlage dienen mir dabei Unterlagen, die natürlich auch schon Herbert Zimmermann weit ausführlicher veröffentlicht hat, Erzählungen alter Milser und auch meine eigenen Recherchen während meines Studiums, die ich heuer im Sommer wieder ausgegraben habe.
Die Milser Alm
Die in die schroffen Kalkketten des Karwendels eingebetteten weicheren Schichten bilden Talauen und Hochflächen, welche schon seit Jahrtausenden als Weideflächen von Bauern der südlich davon gelegenen Inntalsiedlungen verwendet werden. Sie bedeuteten eine großzügige Erweiterung der Weidemöglichkeiten, aber auch den Schutz des Viehs vor einfallenden oder durchziehenden Heeresgruppen, die ja immer wieder auch zwangsweise versorgt werden mussten.
Das Karwendel war dabei Grenzregion, d.h. die Grenze zwischen Tirol und den nördlich davon gelegenen Nachbarn war ein bis zu 10 km breiter Grenzsaum, über dessen Nutzung immer wieder Streitereien ausbrachen.
Der Tiroler Teil des Karwendels war Jahrhunderte lang auch keiner Gemeinde zugeteilt, sondern unterstand direkt den jeweiligen Landgerichten (vergleichbar mit unseren heutigen Bezirken). In unserem Fall war der Vertreter des Landes- und Grundherrn der Pfleger des Gerichtes Thaur. Erst 1856 erfolgte die Zuteilung des Hinterautales zur Gemeinde Scharnitz und des Lafatsch zur Gemeinde Absam.
Das Karwendel war aber auch, neben dem Salzbergbau im Halltal, ein wichtiges Bergbaurevier, in dem von Hunderten Knappen auch strategisch wichtige Erze abgebaut wurden. Es herrschte also nach dem Ende des Winters ein reger Verkehr über die jeweiligen Zugänge, musste doch das ausgebrochene Erz mit Saumpferden zu den Erzschmelzen im Inntal transportiert werden.
Die Bewirtschaftung der Almen und der kleineren und größeren Bergwerke erfolgte in den meisten Tälern über Jöcher wie die Arzlerscharte (Gleirschtal), das Lafatscherjoch (Hinterautal-Lafatsch), das Lamsenjoch und den Plumssattel (Eng mit Seitentälern), den Schleimssattel, das Marbichlerjoch und den Rotwandsattel (Bächental). Das Karwendeltal war über Jahrhunderte als Teil der Grafschaft Werdenfels im Besitz des eigenständigen Hochstiftes und Fürstbistums Freising, wurde aus strategischen Gründen (um eine Umgehung der Porta Claudia bei Scharnitz zu verhindern) 1766 eingetauscht und kam nach der Auflösung der geistlichen Fürstentümer 1803 endgültig zu Tirol, wobei allerdings weiterhin die Weiderechte der Marktgemeinde Mittenwald bestehen blieben.
Besonders im 17. und 18. Jahrhundert kam es durch den steigenden Bevölkerungsdruck zu einer massiven Ausdehnung des Weidelandes durch weitere Rodungen. Im 19. Jahrhundert aber gewann wieder die Jagd durch adelige Familien jene Bedeutung, die sie über viele Jahrhunderte durch eigene Landesgesetze gehabt hatte. Besonders die Landesherrn Erzherzog Friedrich und der spätere Kaiser Maximillian hatten sich das Recht auf die ertragreiche Jagd im Karwendel gesetzlich gesichert. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erwarb vor allem der deutsche Hochadel (z.B. die Herzöge von Coburg) durch Grundkäufe große Teile des Karwendels, löste aus jagdlichem Interesse viele Almen auf und verminderte den Viehbestand auf anderen Almen.
Steuererklärungen und Abrechnungen zeigen, dass auch Milser Bauern Tiere über das Lafatscherjoch auf die dortigen Almen trieben. Dies ist bei den geringen Viehbeständen im Dorf (darüber wird noch zu berichten sein) und den vielen ungenutzten Flächen, die als Weide in Dorfnähe zur Verfügung standen, einerseits überraschend, kann aber durch die nicht gerade ausgeprägte Fruchtbarkeit des Bodens am Milser Teil des Weißenbachschwemmkegels erklärt werden.
In einer Urkunde aus dem 17. Jahrhundert wird nun die „Milser Alm“ genau beschrieben. Die Grenzangaben lassen nur den Schluss zu, dass es sich dabei um die heutige Kastenalm und das so genannte Rossloch gehandelt haben muss. Das als „Milser Alm“ bezeichnete Gebiet liegt zwischen dem „Hochgebirg, das zum Vomperloch führt“ (Reps), den großen Schotterreisen westlich des Kastens, der Gleirschkette und grenzt im Norden an „bayrische Gebiete“ (das damalig werdenfelsische Karwendeltal) im Bereich des Birkkars und des Schlauchkarsattels. In diesem Übergabevertrag, der vom Pfleger von Thaur bestätigt wurde, werden auch die jeweiligen Besitzer der Weiderechte (Gräser) aufgezählt. Solche Übergabeurkunden tauchen auch weiterhin auf.
Der Name „Milser Alm“ und „Milser Khar/Kar/Khor“ verschwindet aber innerhalb von Jahrzehnten und bereits im Maria Theresianischen Kataster in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts sind keine Weideberechtigungen von Milser Bauern im Karwendel verzeichnet. Weiderechte auf den Almen der Tuxer Alpen dagegen bestehen weiter.
Milser Bauern haben weiterhin Tiere auf die verschiedenen Almen jenseits des Lafatscherjochs aufgetrieben, im Laufe der Zeit auch wieder Weiderechte erworben und verkauft. Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Auswertung von bisher unbearbeiteten Urkunden und Schriften der Familie Schallhart. Sie bewirtschaftet seit dem Beginn des 19. Jh. die früher der Stadt Hall gehörende Hallerangeralm.
Der Name „Milser Alm“ ist aber mehr und mehr in Vergessenheit geraten, vielleicht auch durch die zunehmende Einschränkung der Beweidung im Rossloch, die erst in den letzten Jahren wieder aufgenommen worden ist.
Quelle: Dorfblatt Mils 11–2009