MILSER GESCHICHTE(N)
bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
Die Jahrhundertfeier 1909
Der beeindruckende Landesfestumzug 2009, zu dessen Erfolg auch viele Milser in den unterschiedlichsten Funktionen ihren Beitrag leisten konnten, ist nun schon Teil der Geschichte. Als Abschluss des Gedenkjahres werde ich in den „Milser Geschichte(n)“ eine Abschrift aus der Schützenchronik in zwei Teilen präsentieren. Ich habe die in deutscher Kurrentschrift niedergeschriebenen Berichte aus dem Jahr 1909 übersetzt und gebe sie originalgetreu, ohne Veränderung von Rechtschreibung oder Satzstellung, wieder.
Teil 1: Die Vorbereitungen und der Vorabend
Das Jahr 1909 gilt für die Tiroler, besonders für das Schützenwesen desselben, als ein ruhmreiches denkwürdiges Jahr, denn im August dieses Jahres soll in Innsbruck die Jahrhundertfeier der siegreichen Schlacht am Berg Isel stattfinden, wobei Se. Majestät Kaiser Franz Josef nach Tirol kommen soll. Jede einzelne Gemeinde Tirols hielt ihre eigene Jahrhundertfeier ab, verbunden mit einer feierlichen Herz- Jesu-Feier, nämlich im Juni beim Hauptfest derselben war ein dreitägiges Fest, welches mit einem halbstündigem Glockengeläute eingeleitet wurde, am Feste selber neuerliche Angelobung der Gemeinde an das Herz Jesu und feierliche Prozession, wobei unsere Schützenkompanie gute Salven abgegeben haben, abends war Bergbeleuchtung, von der Martinswand bis zum Kellerjoch war das Inntal ein Flammenmeer, es gab somit Zeugnis von echten Glaubenstreue und Heimatliebe nach dem schönen alten Tiroler Wahlspruch: Es sind ja noch die Jungen wie die Alten, Tiroler Adler wirst den Kranz behalten. Es kam nun der August dieses Jahres, wo unter großen Gebot und Aufwand nun die eigentliche Jahrhundertfeier stattfinden soll. Am 28. August 9 Uhr früh verließ der Hofzug Bad Ischl und traf nach 2 Uhr nachm. in Tirol ein, wo er an der Ostgrenze desselben in Hochfilzen halt machte, dort selbst waren Triumphbögen aufgestellt und Sr. Majestät der Kaiser begleitet vom Thronfolger Franz Ferdinand und den weiteren folgenden Erzherzogen wurden nun auf tirolerischem Boden von den Spitzen der Behörden feierlich begrüßt, und so ging es von Station zu Station, bis um 5 Uhr abends der Hofzug in Hall einfuhr, wobei die k.u.k. Behörden, Ämter des Bürgerausschusses der Stadt, die Gemeindevertretungen aus der Umgebung schon längst Aufstellung genommen und zum Empfang eingefunden hatten. Die Salinenkapelle intonierte die Volkshymne. Aus dem ganzen Gerichtsbezirk Hall erscholl Pöllerknall und Glockengeläute. Seine Majestät entstieg dem Hofzug und nahm die Meldung des Bezikshauptmanns ……rat Ludwig Baar sowie des Militärstationskommandanten Major Eduard Tratz entgegen. Bürgermeister Dr. Alois Mang begrüßte im Namen der Stadt und im Namen der Gemeindevertetungen der Umgebung. Mehrere Triumphbögen waren aufgestellt, die Häuser beflaggt und verziert und herrschte ungemeiner Jubel den Monarchen zu sehen. Der Kaiser hat sich entschlossen die Grabstätte der Ehrwürdigen Ahnfrau, der durchlauchtigsten Erzherzogin Magdalena in der Allerheiligen Kirche zu besuchen, die Wagenfahrt seiner Majestät glich einem Triumphzug. Besonders gefiel ihm das Speckbacher Denkmal wo eine jugendliche in Speckbacher Tracht bekleidete Mannschaft Aufstellung genommen – für Hall war ein Aufenthalt Seiner Majestät von 30 Minuten in Aussicht genommen. Vom Bahnhof bis zum Speckbacher-Graben nahmen Veteranen, Schützen und Knappen Aufstellung und zwar die Standschützen von Hall und Mils, die Milser Musikkapelle, die Schützen und Musik von Mühlau, Rum, Arzl, Wildschönauer Sturmlöda, Absam, Thaur, darunter die Veteranen mit Ihren Fahnen, Volders, die Jungschützen von Wattens sowie deren Schützen und Musik, Schützen und Musik Terfens, Schützen und Musik Kolsass, Weer, Tulfes, Rinn, Gnadenwald. In der Kripp- und Pfarrgasse waren die Volksschüler aus der ganzen Umgebung aufgestellt, somit auch die Schüler von Mils mit den Kindern der Landestaubstummenanstalt mit Lehrkörper. Es würde zu weit führen die Abordnungen und Korporationen anzuführen, die bis zur Allerheiligenkirche aufgestellt waren. Am Eingang in die Allerheiligenkirche begrüßte der Fürstbischof von Brixen Dr. Josef Altenweisel seine Majestät, nach einem kurzen Gebet und Besuch der Ahnfrau Magdalena verließ der Monarch die Kirche begleitet vom Bischof und Dekan Knöpfler(?) aus Hall, unter ziemlich strömenden Regen fuhr der Kaiser zum Bahnhof zurück, dortselbst überreichte das Töchterchen des Bürgermeisters, Elfriede, Sr. Majestät einen Alpenblumenstrauß mit folgenden den Worten: Nehmt Allerhöchster Herr mit diesem Blütengruß Ehrfürchtigen Dank und hei…… Wunsch entgegen: Gott schütze Eure Majestät und schirm Euch auf allen Lebenswegen. Der Kaiser dankte und sprach sich besonders lobend über den Empfang in Hall aus und mit einer kleineren heiteren Aussprache mit den dort anwesenden Behörden bestieg der Monarch wieder den Hofzug und setzte seine Fahrt nach Innsbruck fort. In der Landeshauptstadt angekommen dortselbst herrschte ein Jubel, wie ihn die Sprugger wohl nie erlebt, obwohl strömender Regen niederprasselte vermochte er jedoch die Feststimmung nicht zu stören. Die Bewohner von Innsbruck sowie auch die 15.000, welche von Italienisch und Südtirol schon gekommen waren, alles eilte dem Bahnhof zu, derselbe zeigte ein Blumen Meer und einen Aufwand von ungeheurer Größe, die Teppiche reichten vom Rudolfsplatz bis zum Hofsalonwagen und hatten somit eine Länge von einem Kilometer, bereits zwei Wochen beanspruchte die Ausschmückung des Bahnhofs. Als seine Majestät den Bahnhof verlassen, fuhr er mit Thronfolger Franz Ferdinand am offenen Wagen zur Hofburg, welche ebenfalls in Prunkge…..(?) hergestellt war, ungezählt wechselten die Begrüßungen vom Bahnhof bis zur Hofburg. Wenige Minuten vor acht Uhr begann der Aufmarsch des Tiroler Sängerbundes zur Serenade. 500 Sänger aus Innsbruck, Unterintal, Südtirol und dem Pusterthale und cica 200 Lampionträger beteiligten sich an derselben. Die Sänger nahmen vor der Hofburg Aufstellung. Vor dem Dirigentenpult flankierten sich im Halbkreis die Fahnen der einzelnen Vereine, Punkt 8 Uhr erschien der Monarch mit dem Thronfolger auf dem Balkon der Hofburg. In voller Begeisterung jubelte die tausendköpfige Menge dem Monarchen zu, der durch fortwährendes Salutieren für die Ovationen dankte. Anschließend war eine Stadtbeleuchtung, wo auch Scheinwerfer in Tätigkeit waren, am selben Abend war ein Leben und Treiben, wie Innsbruck noch nie gesehen hatte. Bis 12 Uhr nachts kamen noch immer Extrazüge aus allen Theilen des Landes – einzelne voll überfüllt auf den Wagons aus den Dörfern derselben waren Schützen und Musikanten.
Teil 2: Der Tag des Festumzugs
Es kam der Morgen des 28. August, als der Morgennebel vergangen, erstrahlte die Sonne auf dem blauen Firmament. In den frühesten Stunden waren die Straßen Innsbrucks mit verschiedenen Farben der Uniformen der Korporationen belebt. Bis 8 Uhr früh waren am Bahnhof wieder 10 Extrazüge angekommen, ein Aufmarsch zum anderen folgte, alles ging dem Berg Isel zu, den aufmarschierenden Kolonnen waren die Plätze zugewiesen zur Spalierbildung für die Fahrt des Kaisers von der Hofburg zum Berg Isel, freudig erregten Herzens erwartete die Menge den Augenblick, wo unser allergeliebter Jubelkaiser erscheinen würde. Da kam der Wagen mit dem Herrn Bürgermeister der Landeshauptstadt Wilhelm Greil. Es war das Signal zum Ruf: Der Kaiser kommt! Die zum Spalier aufgestellten Veteranen und Schützen stellten sich in strammer Haltung: dann kam der Wagen mit Statthalter Exzellenz Freiherr von Spiegelfeld (?), mit Landeshauptmann Dr. Kathrein alsbald wurde man des kaiserlichen Hofwagens ansichtig, in welchem seine Majestät mit dem Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand saß. Brausende Hochrufe erschallten, die sich immer und immer mehr steigerten. Die Musikkapellen stimmten die Kaiserhymne an. Vor dem Berg Isel waren die Italiener aufgestellt, 2500 an der Zahl, welche dem Kaiser begeistert Eviva zuriefen. Auf dem Berg Isel begrüßte als erster Prälat Zachner von Wilten Sr. Majestät, der Kaiser dankte. Die zweite Begrüßung hielt der Kommandant des I. Kaiserjäger Regimentes Oberst Friedrich Bruis (?). Als dritter Fürstbischof Dr. Josef Altenweisel. Anschließend wurde von hochdemselben die Erneuerrung des göttl. Herzens Jesu vollzogen. 60 Mitglieder des St. Jakob Pfarrchores unter Dirigenten Streiter sangen das Herz Jesu Bundeslied. Nun erfolgte die durch Landeshauptmann Dr. Theodor Kathrein. Fürstbischof Altenweisel zelebrierte die Feldmesse, welche der Kaiser von der Wandlung bis zur Kommunion stehend anhörte, anschließend legte er einen großen prächtigen Lorbeerkranz am Andreas-Hofer-Denkmal nieder. Zu der Feier waren auch Eminenz Kardinal Fürsterzbischof Katschthaler von Salzburg und Fürstbischof Dr. Endrici von Trient anwesend. Anschließend erfolgte die Abfahrt in die Hofburg. Die berittene Polizei hatte mühsam Arbeit genug, die Straßen, wo der Kaiser fuhr„ frei zu machen. Die Zivilbevölkerung aus Innsbruck und aus dem ganzen Land Tirol füllten in Massen, wo der Festzug gemeldet, es herrschte ein Drängen und Drü-cken, alles wollte den Festzug sehen, derselbe nahm am Berg Isel seinen Anfang, es eröffnete denselben die alte Veteranenschaft Tirols mit 3850 Mann, es folgten Militärveteranen Landesbund Tirol mit 48 Vereinen und 10 Musikkapellen, die Veteranen vom Pusterthal mit 255 Mann und 9 Fahnen, Veteranenverein Unterinntal 195 Mann und 3 Fahnen. Dann die Festzugstheilnehmer von Vorarlberg mit Schützen und Musik. Dann folgte die …………..Fahne getragen vom Oberschützenmeister …Leonhard es folgten die Standarten vom Burggrafenamt, der Bezirk Lana, Bezirk Schlanders, Bozen, Neumarkt, Kastelruth, Sarnthal, Trient, Stadt und Bezirk …………………, Walsugana, Primiero, Mezolombardo, Nonstal, ……….. Judikarien, im gesamten 2500 Italienische Tiroler. Es folgten die Bezirke Klausen, Brixen, Sterzing, Pusterthal, Windisch-Matrei, Lienz, Sillian, Ampezzo, Buchenstein, Welsberg, Sand in Taufers, Enneberg, Bruneck, Rodenegg, anschließend Lechthal, …. Ausfern, Bezirk Landeck, Paznaunthal, Imst, Pitztal, Silz, Telfs. Unterinntal Kitzbühel, Hopfgarten, Kufstein und Rattenberg, Schwaz. Es folgte das Zillerthaler Regiment, Zillerthaler Regimentsmusik mit 99 Mann, das Stubaier Schützenbataillon, ebenso das Wipptaler Bataillon Bezirk Hall, die Milser hatten sich der Standschützenkompanie Hall angeschlossen, die Milser 28 Mann standen unter dem Kommando des Hauptmannes Leonhard Winkler. Es folgten die Wiltener Schützen und Musik in ihrer schmucken Tracht. Innsbruck- Hötting. Den Schluss bildeten 30 Reiter der Haflinger Pferdezuchtgenossenschaft unter der Leitung des Obmanns derselben Josef Egger in Mölten. Der Kaiser ….. das anwesende kaiserliche Haus, die höchsten Würdenträger des Staates und des Landes hatten in der Hofburg am Rennweg Platz genommen zur Defilierung waren um . 12 die ersten Festtheilnehmer des Festzuges angekommen. Der Schützenfestzug glich einem Triumphzug einer ……. wie sie herrlicher nicht gedacht werden konnten. Der Zufall wollte es, dass genau, als von den Kirchtürmen die Glocken 12 Uhr Mittag läuteten, die erschütternde Kreuzguppe geführt vom Maler Egger Lienz, vor dem geliebten Kaiser vorbeizog. Bei 33000 wehrhafte Männer mit 715 Fahnen und 158 Musikkapellen (Tirol in Waffen)
zogen vor dem allgeliebten Landesfürsten vorbei. Der Kaiser entwi-ckelte eine gerazu …….. Kraft und Ausdauer. Über 2 1/2 Stunden verbrachte der greise Monarch stehend beim Festzuge und verfolgte mit dem registen Interesse den Vorbeimarsch, die jubelnden Zurufe stets mit freundlichen Grüßen erwidernd. Während der Kaiser das Mittagessen einnahm, konzerte die Wiltener Musik. Für die Festzugstheilnehmer wurden 50000 Gulaschkonserven verabreicht. Um 3 Uhr 30 Minuten war die Abfahrt seiner Majestät auf den Landeshauptschießstand festgesetzt. Auf seiner Reise dorthin herrschte wieder Jubel und Freude. Auf dem Schießstand wurde er wieder mit mehreren Ansprachen begrüßt und willkommen geheißen. Ergänzung: Im Rahmen der Festzugsgruppe Landsturm Speckbacher wirkte mein Großvater als Speckbacher Anderl mit und marschierte an der Spitze der Landsturmgruppe. Laut Aussage meines Vaters wurde er auch vom Kaiser empfangen.
Quelle: Dorfblatt Mils
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