MILSER GESCHICHTE(N)
bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
Der Ausflug der kropferten Lisl
Samstag, der 22. März 1783 nimmt in den Aufzeichnungen des Pfarrers Dr. Johannes Popp einen ganz besonderen Stellenwert ein. Obwohl er beste Beziehungen zu den kaiserlichen Behörden in Innsbruck pflegte, die er für seine Pfarrgemeinde besonders in den nach dem Kirchenbrand folgenden Notzeiten nutzbringend einzusetzen verstand, wurde er an diesem Tag von einem Besuch der Erzherzogin Maria Elisabeth und ihrer Begleitung überrascht.
Maria Elisabeth, Erzherzogin von Österreich, wurde am 13. August 1743 als sechstes Kind und fünfte Tochter Maria Theresias von Österreich und ihres Gemahls Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen geboren und war damit u. a. die Schwester der Römisch-Deutschen Kaiser Josef II. und Leopold II., der Königinnen Maria Karolina von Bourbon-Sizilien und Maria-Antoinette von Frankreich, sowie die Tante des späteren Kaisers Franz I.von Österreich.
Maria Elisabeth war die attraktivste der Töchter der Kaiserin und war eine Trumpfkarte in der Heiratspolitik ihrer Mutter. Eine Pockenerkrankung 1767 mit deutlichen Folgen für ihr Aussehen durchkreuzte allerdings alle Heiratspläne.
Nach dem Tod ihrer Mutter musste sie, wie ihre beiden anderen unverheirateten Schwestern, auf Befehl ihres Bruders Josef II., der nach seiner Mutter nicht auch noch von seinen älteren Schwestern bevormundet werden wollte, 1780 den Wiener Hof verlassen. Sie zog in das Innsbrucker Adelige Damenstift, das ihre Mutter im Andenken an ihren 1765 in Innsbruck bei der Hochzeit ihres Sohnes verstorbenen Gatten Franz I. Stephan (vgl. Innsbrucker Triumphpforte) gegründet hatte. Als Äbtissin war sie auf Grund ihrer leutseligen und freundlichen Art Zentrum der Innsbrucker Gesellschaft, wegen ihrer manchmal scharfen Zunge aber auch ein gefürchtetes Original. Mitzunehmendem Alter kamen zu ihren Pockennarben auch eine nicht zu übersehende Korpulenz und ein dreifacher Kropf. Dieser trug ihr im Volksmund die liebevolle Bezeichnung „die kropferte Lisl“ ein. 1805 flüchtete sie vor den bayrisch-französischen Truppen nach Wien. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Linz, wo sie 1808 verstarb.
Es war also für unsere Gemeinde eine besondere Auszeichnung, dass sich die Erzherzogin entschlossen hatte, das Dorf für einen Tagesausflug zu besuchen. Als der Pfarrer von seinem Messner erfuhr, dass eine von 6 Schimmeln gezogene Kutsche mit der Erzherzogin, in Begleitung höchster Tiroler Adeliger, durchs Dorf Richtung Kirche und Widum fuhr, ließ er alle Glocken läuten. Er selbst begrüßte den hohen Gast und bat die von überall herbeilaufenden Gemeindeverantwortlichen, die Pöller herzurichten und die ganze Gemeinde „zur Parad“ zu stellen.
Während die Erzherzogin mit ihrer Begleitung zur Ruine des Schlosses Grünegg spazierte, den Widum und die beiden Kirchen besichtigte, organisierte der Pfarrer gemeinsam mit dem Dorfmeister Johann Naar und dem Gerichtsverpflichteten Martin Haßlwanner einen großen Empfang.
Bei der vom Knallen der Pöller begleiteten Rückkehr des Gastes zum Widum hatten 40 junge „Bursch mit Scheibenbüchsen“, die Männer und 84 Schulkinder Aufstellung genommen. Maria Elisabeth gab sich besonders leutselig, sprach mit einer ganzen Reihe von Anwesenden und beschenkte jeden Schützen mit 3 Dukaten und die Armen mit einem Dukaten. Nach einem dreistündigen Aufenthalt, den sie offensichtlich sehr genossen hatte, trat der hohe Besuch unter den Hochrufen der Bevölkerung die Rückfahrt nach Innsbruck an.
Bereits am 27. März fuhr eine Milser Delegation nach Innsbruck, um Erzherzogin Maria Elisabeth für ihren Besuch zu danken. Zur Abordnung gehörten neben dem Pfarrer, dem Dorfmeister und dem Gerichtsverpflichteten auch der Kirchprobst und Dorfschreiber Anton Resch, der Messner Josef Jung und die damals noch unverheirate Wirtin Theresia Straub, eine direkte Vorfahrin meiner Familie. Die Gruppe wurde freundlich empfangen (… alle wurden zum Handkuss zugelassen!) und durch die Hofburg geführt. Als Abschiedsgeschenk übergab ihnen die Erzherzogin 26 Ellen Spitzen für die Altäre der Kirche, die sie selbst hergestellt hatte
15 Jahre später kam Erzherzogin Maria Elisabeth wieder nach Mils, diesmal aber, um als Ehrengast im Beisein tausender Zuseher ein Manöver österreichischer Truppen auf der Milser Heide zu beobachten.
Quelle: Dorfblatt 02–2009, PDF-Download