Artikel im Bezirksblatt, 23.12.2010
Als die Nazis die Behinderten holten
Die Delegation des Sozialen Zentrums St. Joseph besichtigen die Gedenkstätte in Schloss Hartheim.
Delegation aus Mils besuchte Schloss, in dem vor 70 Jahren die Heimbewohner von St. Josef ermordet wurden
Zwanzig Mitarbeiter des Sozialen Zentrum St. Josef begaben sich vor einigen Tagen auf die Spur eines düsteren Kapitels ihrer Behinderteneinrichtung. Gemeinsam besuchten sie die Lern- und Gedenkstätte von Schloss Hartheim, wo im Zweiten Weltkrieg viele Behinderte ermordet wurden!
MILS (sf). Am 10. Dezember 1940 – fast auf den Tag genau vor 70 Jahren – wurden auf Anordnung der nationalsozialistischen Regierung 67 Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses in die Tötungsanstalt des Renaissance-Schlosses in der Nähe von Linz überstellt. Kurze Zeit später trafen von dort die Todesnachrichten ein: Lungenentzündung, Blinddarmentzündung oder eine andere Infektionskrankheit wurden als Todesursache angegeben. In Wahrheit fanden 67 Menschen, denen aufgrund ihrer Behinderung das Recht auf Leben abgesprochen wurde, in den Gaskammern von Schloss Hartheim den Tod.
Eine bedrückende Stimmung überkam die Mitarbeiter aus Mils, als die Schloss-Führerin von den dramatischen Minuten der Ankunft der unwissenden Menschen im Schloss Hartheim berichtete: Wie die vielen Menschen den Bus nach längerer Fahrt verließen – ohne zu wissen, wo genau sie gelandet sind. Zur Geheimhaltung waren die Busse mit Vorhängen ausgestattet oder deren Fenster waren bemalt, sodass niemand aus der Bevölkerung die Mitfahrenden erkennen konnte. Nach Betreten des Schlosses wurden die Personen begutachtet und entsprechend ihrer Behinderung oder psychischen Erkrankung wurde bereits eine Todesursache festgesetzt. Noch am Tag des Eintreffens in Hartheim verloren sie in den Gaskammern ihr Leben.
In einer Andacht vor Ort gedachten die BetreuerInnen und PflegerInnen aus Mils der vielen unschuldig Getöteten. In Erinnerung an den 10. Dezember 1940 wurde an der Außenmauer des Schlosses ein Kranz niedergelegt und eine Erinnerungstafel angebracht.
Drei Tage nach der Rückkehr nach Mils wurde gemeinsam mit den BewohnerInnen, Angehörigen und MitarbeiterInnen in der Kapelle des Sozialen Zentrum St. Josef ein Gedächtnisgottesdienst gefeiert. Im Mittelpunkt der Feier stand das Verlesen der Namen aller unschuldigen Opfer sowie deren Alter und Herkunftsort. Das Entzünden von 67 Kerzen war ein starkes Zeichen für die Identität eines jeden Bewohners, welche nicht in der Anonymität der vielen tausenden Opfer des Nationalsozialismus in Vergessenheit geraten sollen.
siehe Beitrag St. Josef: Euthanasie in der NS-Zeit