Durch das Halltal über das Lafatscher Joch in den Halleranger – ein seit Generationen beliebter Abstecher für viele Milser in das nahe Naturparadies mitten im Karwendel. Und nicht nur für Menschen, wie es scheint.
So schroff sich auch die Kalkketten des Karwendels dem Betrachter erschließen, die in den weicheren Schichten eigebetteten Talauen und Hochflächen sorgen für einen reizvollen Kontrast und werden seit Jahrhunderten von den Bauern des Inntales als Weideflächen genutzt. Dies bedeutete eine willkommene Erweiterung der Weideflächen und in früheren Jahrhunderten auch einen Schutz vor durchziehenden Heeresgruppen und deren zwangsweisen Lösungen von Versorgungslücken.
Steuerklärungen und Abrechnungen belegen, dass auch Milser Bauern ihre Tiere über das Lafatscher Joch auf die dortigen Almen („Schiachl Alm“, eigentlich „Lafatscher Niederleger“, „Halleranger-Alm“, früher auch „Milser Alm“ – siehe Dorfchronik) trieben – so wie es heute noch Franz Pittl mit seinen Rindern betreibt. Er weiß von Erzählungen seines Vaters, dass dies in der Zwischenkriegszeit noch von den meisten Milser Bauern so gehandhabt wurde. Dass er heute der einzige ist, ist im Allgemeinen auf die gewaltigen Veränderungen in der Landwirtschaft seit den 1950er Jahren zurückzuführen (noch 1966 gab es in Mils 408 Kühe, aufgeteilt auf 39(!!) Besitzer, heute 130 Kühe mit 7 Besitzern), im Besonderen trugen auch die Konzentration auf Milchleistung, die Verringerung des Zuchtgedankens sowie Möglichkeiten des motorisierten Transportes auf andere Almen zur Dezimierung des Milser Almviehs im Halleranger bei.
Auf die Alm wird hauptsächlich Jungvieh, zuletzt auch Muttervieh mit ihren Kälbern getrieben. Außerdem arbeitet Franz Pittl mit Kühen, die der Rasse „Pustertaler Sprinzen“ entstammen – einer widerstandsfähigen Art, die ihren Namen vom Ursprungsgebiet sowie von der Farbkennzeichnung ableitet. Diese Rasse war Anfang der 1950er Jahre vom Aussterben bedroht. Erst auf europäischer Ebene fasste der Gedanke zur Erhaltung alter Haustierrassen als wertvolle Genreserve Fuß. Seit 1985 auf der Liste der „Genreserve-Rassen“ stehend, wird sie als hochgefährdete Rinderrasse gefördert.
Die Beliebtheit der „Halleranger-Alm“ bezieht sich natürlich nicht nur auf die Rinderzucht. Unzählige Milser genossen hier in der idyllischen Umgebung und dem rustikalen Ambiente der Hütte neben der Liebe zu den Bergen G‘schmackiges und Herzhaftes, Mildes und Scharfes, erlebten Herzliches und Grobes, Verbundenheit und Gegnerschaft, Musikalisches und Poetisches; gar mancher wird versucht haben, mit dem Rucksack auch ein Stück Ballast des täglichen Lebens abzuwerfen, eine Auszeit von den Erfordernissen der Zivilisation zu nehmen, seine innere Glut nach außen zu kehren. „Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd“? Na ja, fallweise wohl eine Frage der Definition. Mag der Heimweg nach (meist kurzen) Nächten oftmals beschwerlich gewesen sein – trotzdem wohl kaum vergleichbar mit den verschlungenen Pfaden des Lebens oder jenen zu sich selbst.
Nachdem im 15. Jhdt. der Tiroler Landesfürst das Gebiet im Lafatschtal der Stadt Hall vermacht hatte, setzte sich der Name „Haller Anger“ durch und der wurde im 19. Jhdt. an die Familie Schallhart verkauft. Nach der Bewilligung der Konzession zum Betreiben einer Gaststätte (1920) und einigen Verpachtungen übernahm Horst Schallhart 1983 mit seiner Frau Evelyne die Alm und diese beiden bewirten heute noch erfolgreich Gäste aus Mils und der ganzen Welt und betreuen die ihnen anvertrauten Rinder.
–jw-