MILSER GESCHICHTE(N)
bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
Die Milser Au
Ein Artikel über die Renaturierung der „Milser Au“ im Gemeindegebiet unserer Namensvetterin Mils bei Imst war Anlass, wieder einmal über die Veränderungen in unserer Au, dem „Milser Unterfeld“ nachzudenken. Bereits in meiner geographischen Hausarbeit zum Abschluss des Studiums musste ich mich u.a. auch mit den Veränderungen im Unterfeld seit der Erstellung des Maria Theresianischen Katasters und der zunehmenden Bedeutung der vom Dorf weit entfernten Flächen beschäftigen.
Was sich heute südlich der Bahn als dicht besiedeltes Gewerbegebiet, Schotteraufbereitungsanlage und nach Norden gedrängter Verlauf des Inn, sowie nördlich der Bahn als intensiv genutzte Gemüse- und Ackerflächen präsentiert, war bis vor wenigen Jahrhunderten ein von Innhochwässern und Flussbettverlegungen bestimmter Auwald, der von den Bauern des Ortes als extensive Weidefläche im Allgemeinbesitz, als „Allmende“, und zur Holzgewinnung genutzt wurde. Die durch den Inn und seine Hochwässer verursachten regelmäßigen Veränderungen ließen eine intensive Nutzung der flussnahen Flächen kaum zu. Vor dem Bau der Autobahn, der Verlegung des Flussbettes nach Norden und seiner durch Verbauung erfolgten Eintiefung füllte sich ein am Abhang des Milser Schwemmkegels entlang laufender ehemaliger Seitenarm des Inns bei Hochwasser und erinnerte an die vielen Wasserflächen der ehemaligen Au. Allerdings dürften bereits recht früh an vielen günstigen Stellen sogenannte „Einfänge“ gerodet worden sein. Im 15. Jh. erfolgte dann die Aufteilung der restlichen Au mit der Rodung, Entwässerung und Trockenlegung der zugewiesenen Flächen.
Die seit dem Hochmittelalter immer wichtiger werdende Innschifffahrt von Hall zur Donau hatte aber bereits früher zu Eingriffen und Veränderungen im Uferbereich des Inn geführt. Die Gemeinden, weideberechtigte Höfe und Allmendgenossen waren verpflichtet, den Hauptlauf des Inn zu „verarchen“, d.h. zu sichern. Die Archen wurden aus Auholz hergestellt und mit verschiedenen Materialien, vor allem größeren Steinen gefüllt und mit Weiden, Taxen und Gräsern abgedichtet. Die Behörden, die an einer möglichst reibungslosen und von Hindernissen freien Innschifffahrt interessiert waren, überwachten die dafür notwendigen Arbeiten. Bei Bergfahrten waren die von Pferden gezogenen Schiffszüge auf gut erhaltene „Treppel-“ oder „Treidelwege“ angewiesen. Gerade am Inn mussten die Zugpferde aber oft genug in seichten Bereichen des Flussbettes selbst ihren Vorspanndienst leisten. Mit Beibooten wurden sie immer wieder auf das gegenüberliegende Ufer gebracht, wenn am Prallhang die Strömung des Gebirgsflusses zu stark war.
Mit dem Bau der 1858 eröffneten k.k. Nordtiroler Staatsbahn (Kufstein – Innsbruck), der gleichzeitig erfolgten Neutrassierung der Landstraße und der Einstellung der Innschifffahrt ergaben sich für die Bewirtschaftung des Unterfeldes wesentliche Veränderungen. Die Felder südlich der Bahn wurden über drei beschrankte Bahnübergänge (Stiftmoar, Mittergatter und Kreuzbichl) mit zwei dazu gehörigen Bahnwärterhäusern erschlossen und am Reml-Rain wurde die Landstraße mit einer neuerrichteten Brücke samt dazugehöriger Rampe (übrigens in viel steilerem Winkel als heute) über die Bahn geführt. Die der Schifffahrt zustehenden Servitute wurden gelöscht, wenn auch für viele Grundbesitzer weiterhin Verpflichtungen bei der Wiederherstellung der Straße bestehen blieben.
Einen weiteren Eingriff in die Flächen des Unterfeldes brachte der in den späten 60-er Jahren erfolgte Bau der Inntalautobahn. Die Trassenführung am Südufer des Inns erforderte die Verlegung des Flussbettes im Bereich zwischen dem Reml-Rain und der Volderer Innbrücke. Nach umfangreichen Grabungsarbeiten südlich der Bundesstraße wurde ein Abschlussdamm durchstoßen und der Fluss in sein neues Bett umgeleitet. Der Grundwassersee im neuen Bett war vorher bereits zu einem viel besuchten Badebereich geworden. Das alte Flussbett wurde aufgeschüttet und zum Teil als Trasse für die Autobahn verwendet.
Vor der Widmung großer Teile des Unterfeldes als Gewerbegebiet in den letzten Jahren hatten noch die Haller Stadtwerke Pläne für die Errichtung eines Flusskraftwerkes mit einer Staustufe im Bereich der heutigen Eisenbahnbrücke entwickelt. Das Vorhaben wurde als Projektstudie vorgestellt und vorverhandelt, die Pläne verschwanden aber bald in den Schubladen der Projektwerber.
P.S.: Vor dem Bau der Autobahn war die Flussmitte Südgrenze unserer Gemeinde. Flussverlegungen und fleißiges Verarchen des Südufers führten dabei immer wieder zu Streitigkeiten mit den „Entwasslern“. Die Verlegung des Inns hat dann dazu geführt, dass zu unserer Gemeinde auch Flächen südlich des Inns und im Bereich der Autobahn gehören. Anfangs der 90-er Jahre war man im Gemeinderat höchst erstaunt, als die Landesbehörden von der Gemeinde Erhaltungsbeiträge für den südlich des Flusses über Milser Gebiet verlaufenden Inntalradweg einforderten.
Fritz Tiefenthaler, 7.9.2010
Quelle: Milser Dorfblatt 9/2010, PDF-Download