MILSER GESCHICHTE(N) – bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
Kalte Winter
Die kalten Tage um den 4. Adventsonntag waren Anlass in meinen Unterlagen nach Berichten und Aufzeichnungen über kalte Winter und ihre Folgen zu stöbern. Natürlich ist mir klar, dass mehrere Tage mit knapp – 10° Celsius noch keine ausgesprochene Kälteperiode sind, trotzdem haben wir ja doch recht ordentlich gefroren, vielleicht auch weil wir nicht mehr so abgehärtet sind. Ich erinnere mich an Wochen in meiner frühen Schulzeit, in denen der Inn vor meiner damaligen Schule, dem Paulinum in Schwaz, so stark zugefroren war, dass wir ohne Gefahr zur Kaserne am anderen Ufer gehen konnten.
Selbstverständlich werden einige noch etwas Ältere einwänden, die Winter ihrer Jugend seien durch die Bank länger, kälter und extremer gewesen. Dieser Einwand ist zum Teil berechtigt. Tatsächlich waren Jahre mit ausgesprochenen Kälteperioden gerade um die Mitte des vorigen Jahrhunderts häufiger, während solche lang anhaltenden Frostperioden gegen Ende hin seltener auftraten.
Auch in Unterlagen Mils betreffend fanden sich Berichte über besonders schneereiche oder aber auch – das eine schließt das andere aber nicht aus – besonders kalte Winter. Der immer wieder zitierte Pfarrer Dr. Johannes Popp erzählt in seinen Aufzeichnungen neben vielen Angaben über metereologische Besonderheiten über einen tragischen Vorfall. Unter dem Titel „Auf den Milser Feldern erfroren“ berichtet er:
„1788 am 26. Dezember hat sich ein seltsamer Fall zugetragen. Der ehrengeachtete Jüngling Karl Grienling, Sohn des Joseph Grienling, Chirurg und Bürger zu Hall kam ungefähr um halb zwei Uhr Nachmittag, wie gewöhnlich, zu mir um mich zu rasieren. Von mir weg ging er ins Nachbardorf Baumkirchen um dort ebenfalls wie sonst immer dem Hw. H. Pfarrer und anderen den Bart zu rasieren. Als Begleitung auf dem Wege hatte er zwei Hunde mit sich. Es herrschte eine bissige Kälte, gleichzeitig war der Schnee überaus hoch. Bis Abends verweilte er zu Baumkirchen. Er trank dort Wein, jedoch nicht übermäßig viel. Unterdessen verwehte der Wind den ganzen Fußpfad. Bei der Rückkehr kam er vom Wege ab, irrte umher und in der Nähe des Dorfes Mils erlag er von den Strapazen des Marsches ganz erschöpft von Mattigkeit und Kälte. Am folgenden Tage abends kamen die beiden Hunde ohne Herrn nach Hause. Tags darauf, es war Sonntag der 28. September kam ein anderer Chirurg zu mir, ein Bediensteter des vorgenannten Herrn Joseph Grienling, mit den nämlichen Hunden, um den abgängigen Karl zu suchen. Das wurde auch an den folgenden Tagen Montag, Dienstag, Mittwoch wiederholt allein alle Bemühung war umsonst. Da endlich Donnerstag am 1. Jänner sandte ich den Michael Schlaucher, einen abgehärteten und zur Ertragung der Kälte hinlänglich starken Menschen. Die Kälte war noch ganz fürchterlich. Dieser ging das Milserfeld ganz ab und nach drei Stunden fand er den vermissten Menschen am ganzen Körper erstarrt. Der Leichnam wurde hierher gebracht, vom vornehmen und gestrengen Herrn Pfleger zu Thaur und von den Chirurgen fleißig untersucht und der geweihten Erde zu Mils nahe beim Kirchlein der Hl. Anna übergeben. Er ruhe in heiligen Frieden! Es war sonst ein einfältiger, aber recht braver Mensch. Nach Aussage des Vaters war er 43 Jahre alt.“
(Quelle: Aufzeichnungen des Pfarrers Dr. Johann Popp, veröffentlicht 1915, Unterinntaler Bote Nr. 24 vom 12. Juni 1915; Tiroler Landesarchiv; neuerlich veröffentlicht durch Herbert Zimmermann unter dem Titel „Die Pfarrherren von Mils“, Heft Nr. 49, Kunterbuntes aus Mils, Eigenverlag).
Mag. Fritz Tiefenthaler, 31.8.2010