Mils, 1988: Martin Legner scheint alles leicht von der Hand zu gehen. Im Sport, im Leben überhaupt. Verheiratet mit der hübschen Doris, zwei Kinder, das dritte unterwegs. Jungbauer am Marklhof. Jung (27 Jahre alt), attraktiv und sportlich. Zweimal hintereinander mit dem SC Mils Fußballmeister geworden (1986, 1987). Dazu ein ausgezeichneter Schifahrer, Segler, ja in jeder Sportart, die er begann, brachte er es rasch zu erstaunlichen Fertigkeiten – so auch in der in Mode gekommenen Sportart Paragleiten. Da passiert es: Bei einer allzu schnellen Landung werden seine ersten drei Lendenwirbel zertrümmert. Plötzlich querschnittgelähmt. Der begnadete Sportler im Rollstuhl. Sein Leben hat sich verändert. Gravierend.
Der Bauernhof, auf dem Martin mit fünf weiteren Geschwistern aufwuchs, wurde früher „beim Faistenberger“ genannt, weil sich der Hof fast ein Jahrhundert lang im Besitz dieser Familie befand. Noch heute sind Reste jener langen Mauer entlang der heutigen Dorfstraße zu erkennen, welche ursprünglich die Felder vor durchziehenden Reitern schützen sollte. 1914 kaufte Franz Markl aus Hall das Gut (daher der Name „Marklhof“), das dann auf seine Tochter Maria (verheiratete Legner) überging und in weiterer Folge auf deren Sohn Franz, Martins Vater.
Nach dem 2. Weltkrieg entstanden neue Betriebe, die auf die Bedürfnisse der langsamen Normalisierung und damit des steigenden Konsums reagieren wollten. Rudolf und Marianne Ettinger (geb. Legner) versuchten sich einige Jahre mit einer Hühnerfarm, die am Marklhof Hühner für Gaststätten der Umgebung aufbereitete. Für einige Milser Frauen bot sich dabei die Gelegenheit, mit „Hendl-Rupfen“ ein Zubrot in jenen kargen Zeiten zu verdienen.
Franz Legner konzentrierte sich mehr auf den Anbau von Kartoffeln und wurde zum größten Kartoffelbauer Tirols. 1984 übernahm Martin als Pächter den Hof und führte ihn in der Tradition der Familie weiter. Kartoffeln, Futterrüben, Schweinemast und Milchwirtschaft mit Selbstverarbeitung waren die arbeitsintensiven Grundlagen des Betriebes. Zwei Jahre nach dem Tod des Vaters (1989) verpachtete auch er den landwirtschaftlichen Betrieb und ab 2006 wiederum an einen Thaurer Gemüsebauern.
Auch Martins Vater Franz war ein ausgezeichneter Sportler mit einer Vorliebe für Schitouren, auf die er den kleinen Martin öfters mitnahm, weil er dessen Sporttalent erkannt hatte. Bei aller Förderung im Bereich Sport war aber in der Familie ein wettkampfmäßiger Vereinssport verpönt. Dies brachte Martin in Schwierigkeiten, als in der Hauptschule sein Talent im Fußball auffiel. Heimlich nahm er am Nachwuchstraining des SV Hall teil. Trainer Widmer – der später einmal sagen sollte, nie mehr so einem Ausnahmetalent wie Martin begegnet zu sein- schaffte es dann doch, die Bewilligung für einen Spielerpass bei den Eltern zu erwirken und ihn zum SV Hall zu lotsen. Auch später nicht, sagt Martin, habe er nochmals ein derartiges Gefühl des Stolzes verspürt, als nach der erstmaligen Erwähnung seines Namens im Haller Lokalanzeiger. Leider blieb er nicht lange beim Vereinsfußball, die weitere Schullaufbahn (auf die besonders Mutter Luise großen Wert legte), verschlug ihn in ein Internat in Salzburg (HBLA).
Zum SC Mils stieß er zufällig, als er bei einem Freundschaftskick zwischen Mils I und ehemaligen Haller Spielern mitwirkte und mit seinem Spiel zu beeindrucken wusste. So ein Spieler, dazu Milser und vereinslos – da mussten die Milser zugreifen und Martin erlag schließlich dem Werben des SCM und wurde zu einer Stütze der Meistermannschaften 1985/86 und 1986/87 (Trainer Ernst Mair).
Verständlich, dass der schwere Unfall ihn zunächst in ein tiefes Loch stürzen ließ. Wohl nur er selbst kennt die Gefühle und Stimmungen im Kampf um die eigene Souveränität. Mit Hilfe seiner Familie und des Sports schaffte er es aber, sein Schicksal zu akzeptieren und ein „Was kann man machen?“ anstelle eines „Was kann man nicht machen?“ zu setzen. So versuchte er sich auch als Behinderter in mehreren Sportarten und kam schließlich zum Rollstuhltennis, das ihm eine neue erfolgsgekrönte Welt eröffnete. Der Mann, dem alles im Sport leicht zu fallen schien, arbeitete nun hart seine Ziele. Er lebte und erlebte Tennis und wurde zum reisenden Tennisprofi. In dieser Sportart gelang ihm sogar mit großartigen Erfolgen der Vorstoß in die Weltspitze (s. Kasten). Er war es auch, der mit einem Schaukampf gegen Barbara Schett die Milser Tennisanlage eröffnete (Juni 2000).
Und auch heute noch, mit 53 Jahren, tourt er von Turnier zu Turnier, spielt Exhibitions und macht sich noch keine Gedanken über das Ende seiner Karriere. „Ich spiele, solange ich Spaß daran habe“, beantwortet er diesbezügliche Fragen mit dem für ihn so typischen verschmitzten Lächeln und einer Sprache, die keine Hektik zu kennen scheint.
Möge dies noch lange so bleiben!
Erfolge im Rollstuhltennis (Auszug, Stand Ende 2014)
1090 gewonnene Turnierspiele im Einzel, 1048 im Doppel. 76 Turniersiege im Einzel, 223 im Doppel. Darunter in Grand Slam-Turnieren: Sieger French Open, Finale US Open, Australian Open(Einzel); Doppel: 6mal(!) Sieger Australian Open, 2mal French Open, US Open; Finale Wimbledon; 3mal Sieger im Masters Doppel, 2mal 2., 1mal zweiter im Einzel-Masters.
Beste Platzierung in der Weltrangliste im Einzel: 3., im Doppel: 1.
Gegenwärtig: Nr.27 (Doppel Nr.21) der Welt, noch immer Nr.1 in Österreich
Teilnahme an den Paralympics 1992 (Barcelona), 1996 (Atlanta),2000 (Sydney), 2004 (Athen), 2008 (Peking), 2012 (London). Beste Platzierung: 4.Platz (1992 Doppel) und 2000 (Einzel).
Vielfacher österr. Meister, österr. Behindertensportler des Jahres 1999. Sportnadel in Gold der Gemeinde Mils (1998).
Josef Waldner 18.1.2015