Vom Burnout zum Nordic-Walking-Weltmeister
Vor 10 Jahren fiel Rudi Ribitsch jeder Schritt schwer. Jetzt ist der Tiroler Weltmeister durch die verordnete Therapie.
Von Susann Frank

Bleiburg – Aus einem krankenheitsbedingten einsamen Nordic Walker wurde vergangenes Wochenende ein Weltmeister mit der Mannschaft: „Manchmal schreibt das Leben eben seltsame Geschichten“, sagt Rudi Ribitsch. Vor zehn Jahren hätte der 47-Jährige nie gedacht, je wieder solche Wettkampfstrapazen wie beim 12,5 Kilometer langen, mit 1200 Höhenmetern versehenen Hill-Bewerb von St. Michael ob Bleiburg auf die Petzen (Kärnten) bewältigen zu können. Im Jahr 2000 strengte ihn schon an, einem Schritt den nächsten folgen zu lassen. „Ich hatte ein Burnout, konnte nichts mehr machen und mich plagten immer wieder Schwindelattacken“, erinnert sich der damalige Versicherungsvertreter.
Beim dritten Mal in der Innsbrucker Notaufnahme erkannte eine Ärztin seine Krankheit. „So bin ich zum Nordic Walking gekommen. Es war Teil meiner Therapie“, erklärt Ribitsch. Dabei fing er an, mit seinen zwei Stecken in der Hand, erst einen Kilometer, dann immer längere Strecken durch die Tiroler Natur zu ziehen. Immer alleine. Immer am Waldrand. „Weil ich keine Menschen um mich herum vertragen habe und die Bäume einem die nötige Sicherheit geben.“
Die wunderbare Ruhe, die frische Luft und die körperliche Anstrengung braucht der in Mils wohnende Innsbrucker heute noch, um Kraft für das Leben im Alltag zu schöpfen. Um die heutige Aufgabe, ein Vereinscafé zu leiten, problemlos zu bestehen. Aus der Therapie ist aber über die Jahre hinweg mehr geworden: Leidenschaft. „Vor drei Jahren habe ich angefangen, an Wettkämpfen teilzunehmen“, erzählt Ribitsch. Mit Erfolg. Von Beginn an war der „Body&Soul-Walker“ vorne dabei. Seiner Körperstatur zum Trotz. „Mit 90 Kilo bin ich der Schwerste. Die meisten Männer wiegen um die 68 Kilo“, weiß Ribitsch. So auch der Doppelweltmeister aus Polen. Tomasz Brzeski gewann sowohl das Hill-Walking als auch den Cross-Country-Bewerb.
Ihm und weiteren fünf Startern musste sich Ribitsch bei seinem dritten WM-Start im Hill-Bewerb in der Profi-Klasse geschlagen geben. Da halfen auch die langen Trainingseinheiten der vergangenen Wochen mit einem sieben Kilo schweren Rucksack nichts, bei denen er durchschnittliche Mountainbiker überholte. Dafür holte er mit seinem Team Gold – vor den favorisierten Deutschen und Polen. „Damit hatten wir gar nicht gerechnet, zumal meine Kollegen alle Amateure sind“, freute sich Ribitsch: „Alle aus Kärnten.“ Ein kleiner Wermutstropfen. „Ich habe in Tirol nach Kollegen gesucht, aber keine gefunden.“ Weder weibliche – schon gar keine männlichen: „Viele Männer schämen sich immer noch, mit Stecken zu gehen.“ Für ihn unverständlich. Nicht wegen des gewonnenen WM-Titels, sondern wegen der zurückgewonnenen Gesundheit, die Ribitsch der jungen Sportart zu verdanken hat.
Quelle: TT 14.09.2010