vulgo „Judn Hans“
Ein Mann wie ein Fels. Groß und stark (es wird erzählt, er habe einmal bei einer Mahlzeit 16 Schnitzel verspeist). Er sitzt oder geht, als könnte ihn nichts erschüttern, als schöpfe er aus der Ruhe die Kraft oder aus der Kraft die Ruhe, fernab wechselnder Stimmungstäler. Mag sein, dass er der Typ dafür ist, aber seine Gelassenheit ist auch Ausdruck innerer Zufriedenheit, die das Erreichte zu schätzen vermag, insbesondere, weil ihm bewusst ist, dass sein Leben auch anders hätte verlaufen können.
Mils war noch ein bäuerlich geprägtes, kleines Dorf (866 Einwohner, Volkszählung 1934), als er 1936 zur Welt kam. „Beim Jud“ nannte man den Bauernhof im Unterdorf, weil das Gut seit 1777 im Besitz der Familie Jud war. Das Ehepaar Maria Jud und Josef Föger adoptierte Willi Hischhuber (vom Weerberg) und dieser übernahm 1936 selbst den Hof.
Hans war das Jüngste von sieben Kindern (2 Knaben und 5 Mädchen), seine Zwillingsschwester Thresl verstarb nach 3 Monaten. Wie alle Milser Kinder besuchte auch er die Volksschule, die damals mit jeweils vier Stufen im Mesnerhaus bzw. Pfarrhaus untergebracht war. Großes Glück hatte er, als im Feber 1945 die Schlittenkufen einer Mistfuhre seinen rechten Fuß einquetschten. Nach mühevoller Befreiung wurde er mit einem Schlitten ins Krankenhaus Hall transportiert, wo zwei Wochen lang die Abnahme des Fußes erwägt wurde. Ein holländischer Arzt, den die Wirren des Krieges nach Hall verschlagen hatten, rettete ihm den Fuß, indem er – damals noch kaum praktiziert – Haut vom Oberschenkel transplantierte. Mit Hilfe eines seinerzeit üblichen Streckverbandes, beschwert mit einem entsprechendem Gewicht (was man heute nur noch von Witzzeichnungen kennt), lag er derart bewegungsunfähig im Krankenzimmer, dass er auch bei Fliegeralarm nicht verlegt wurde.
Nach der Volksschule musste er zunächst in der Landwirtschaft zuhause anpacken. Nach einem kurzen Intermezzo im Tonwerk Fritzens arbeitete er in der Landwirtschaft des St. Josefs-Institutes und musste noch zusätzlich zuhause mithelfen, besonders nach dem frühen Tod seines Bruders und designierten Bauers beim Jud, Willi jun., der 1962 im Alter von nur 33 Jahren einem Herzinfarkt erlag.
1961 heiratete er Anni Gollner, die Schwester von Frieda, Willis Ehefrau. Nach dem Ende des landwirtschaftlichen Betriebes im St. Josefs-Institut musste er sich mit 41 Jahren eine neue Arbeit suchen, und fand sie schließlich im Psychischen Krankenhaus Hall, wo er als „Feldpfleger“ angestellt war, d.h. er leitete und beaufsichtigte die Feldarbeit – damals wurden Feldfrüchte, in erster Linie Kartoffel, auf 10 ha angebaut und ohne maschinelle Hilfe von 30 bis 40 Patienten geerntet (und er erzählt darüber gern die Anekdote, dass er einmal einen Patienten zur Feldarbeit animieren wollte, worauf dieser antwortete, er sei zum Spinnen da und nicht zum Arbeiten).
Gesellschaftliche Normen waren für den Hans nie ein Problem – im Gegenteil, er mochte es, im Kontext der dörflichen Gemeinschaft eingebettet zu sein. So engagierte er sich in der Pfarre tätig- 6 Jahre Ministrant und „Tagläuten“, 24 Jahre Träger der „Männerfahne“ bei Prozessionen (gewöhnlich nur etwas für die Stärksten des Dorfes), meist mit „Pröller“ Friedl als „Schurzieher“, 27 Jahre bei den vier „Himmelträgern“ bei Prozessionen, bis es seine Hüftbeschwerden nicht mehr zuließen.
Dass der Hans trotz seiner Größe und Stärke fern jeder Grobschlächtigkeit ist, zeigt auch seine Liebe und sein Gefühl für die Musik. Mit 12 Jahren erlernte er das Spielen mit der Knopforgel vom Moser Bartl (sonntags nach der Messe), pflegte die Musik als „Hausmusik“ (mit Vater Willi und Schwester Mariedl ging er öfters zu Fuß auf den Weerberg, um an Sonntagen die Nachmittage mit Spiel und Gesang zu verbringen) und setzte die aussterbende Tradition dieses Genres später mit Sohn Hanspeter, Enkel Hubert (ebenfalls Knopforgel) und Sohn Helmut (Gitarre) fort. Er griff für Schuhplattler und Matschgerer, bei Tiroler Abenden in Mils und Fritzens zu seiner „Zugin“ und tut das noch heute bei Ausflügen der Pfarrstube oder der Pensionisten, ebenso beim Oswald Milser Chor, wo er als einzige Gründungsmitglied noch aktiv ist. Er ist gerne in Gesellschaft, ist umgänglich, ohne ein Biertisch-Alleinunterhalter zu sein.
Seit 1997 ist er nun in Pension, genießt diese, indem er u.a. ausgedehnte Wanderungen mit seiner Frau unternimmt und darüber sogar ein Tourenbuch angelegt hat. Und so entspringt seinem Gesicht ein zufriedenes Lächeln, wenn er bei einem Glas Wein in seinem 1982 bezogenen Eigenheim sitzt. Und das Lächeln vertieft sich, wenn er darauf hinweist, dass sich für ihn auch insofern der Kreis geschlossen hat, als sein Sohn Hanspeter 2013 zum Schützenhauptmann gewählt wurde, 40 Jahre nachdem sein Vater Willi zurücktrat – jener legendäre Hauptmann, der 50 Jahre die Kompanie führte und auch zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt wurde (1963).
Josef Waldner 12.7.2014