Auswirkungen des NS-Regimes auf die Kirche in Mils von 1938 – 1945:
Aus: Entscheidung des Reichsstatthalter Seyss-Inquart betreffend Entlassung des Priesters Josef Sieberer als Direktor der Landes-Taubstummenanstalt in Mils bei Hall, 14.12. 1938: „Auf Grund des § 4, Abs. 1, der Verordnung zur Neuordnung des österr. Berufsbeamtentums vom 31.Mai 1938, RGBL. 1 S. 607, werden sie entlassen. Die Entlassung tritt mit dem Tage der Zustellung dieses Bescheides in Wirksamkeit. Ein Rechtsmittel gegen diese Entlassung steht ihnen nicht zu.“
Dazu ist in der Pfarrchronik i.J. 1945 vermerkt: „Der Hochw. H. Direktor des Landestaubstummeninstitutes, Cons. Josef Sieberer, wurde seines Amtes enthoben, kam als Dekan nach Deutsch Matrei, wurde aber nach dem Zusammenbruch der Naziherrschaft 1945 wieder in sein Amt eingesetzt.“ Pfarrer Sieberer war Direktor von 1918 bis 1953.
Aus: Schreiben des Landeshauptmannes von Tirol an
Pfarrer Josef Ammann von Mils bei Hall betreffend Einstellung des freiwilligen Staatszuschusses, 8.11. 1939: „Am 21.VIII. 1938 haben sie von der Kanzel verkündet, daß in den Krankenhäusern Innsbruck, Wöral, Schwaz, Kufstein und Hall die Erteilung der Sterbesakramente an die Kranken eine Erschwerung dadurch erfahren habe, daß die Kranken vorher eine schriftliche Erklärung mit ihrer Unterschrift abgeben müssen, daß sie die Sterbesakramente wünschen, da sie ihnen sonst nicht erteilt werden dürfen. Hiedurch erscheinen sie in politischer Hinsicht belastet, weshalb ich die Einstellung der Auszahlung des freiwilligen Staatszuschusses an sie mit Wirkung vom 30.9. 1939 verfüge. Was die Frage ihrer Versetzung in den Ruhestand betrifft, so fällt diese nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, sondern in jenen ihrer Vorgesetzten kirchlichen Behörde. Ich bemerke jedoch, daß aus den eingangs erwähnten Gründen auch im Falle ihrer Versetzung in den Ruhestand der freiwillige Staatszuschuss eingestellt bleibt.“
Pf. Josef Ammann wurde in Tannheim am 6.8. 1873 geboren. 1896 zum Priester geweiht, von 1909 – 1929 Pfarrer in Jungholz, Bezirk Reutte. Von 1929 – 1939 war er Pfarrer in Mils. Er war ein Mann, der mit den Leuten wohl zu verkehren verstand, im übrigen aber ein stiller Arbeiter war, der großen Ruf als Entomologe (Käferforscher) genoß und sich eine schöne Käfersammlung anschaffte und wiederholt in wissenschaftlichen Zeitschriften geschrieben hatte. Er war auch Superior bei den Salesianerinnen in Thurnfeld in Hall. Während seiner Amtszeit wurde 1933/34 unter dem Arbeitervereinspräses,Taubstum-menanstaltsdirektor Josef Sieberer, das Arbeitervereinshaus gebaut, welches für Versammlungen und Theateraufführungen diente. Infolge schweren Herzleidens zog sich Pfarrer Ammann 1939 ins Privatleben zurück und starb schon am 25.5. 1940 in seiner Heimat.209)
Aus: Kirchliche Denkschrift über einschränkende Maßnahmen auf dem Gebiete des religiös kirchlichen Lebens im Bereich der apostolischen Administratur Innsbruck, 2.3. 1940. „VI. Aufgelöste Vereine: unter 2. Die katholische Arbeiter-und Arbeiterinnenvereine wurden vom Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände aufgelöst und die Vermögenswerte der Deutschen Arbeitsfront eingewiesen. Unter den genannten Arbeitervereinen ist auch Mils bei Hall angeführt.“
Aus:Verzeichnis über die in Tirol und Vorarlberg in den Objekten, und andere, 24.6. 1945. Unter III. Sonstige kirchliche Häuser, Vereins- und Jugendheime: 19.) Katholisches Jugend- und Vereinsheim in Mils bei Hall.
Die Provision der Pfarre Mils trat laut Pfarrchronik, Dr.med. Richard von Hellrigl am 1.Semptember 1939 an. Derselbe wurde am 28.9. 1889 zu St. Johann in Pongau als Sohn des dortigen Bezirkshauptmannes geboren. 1928 zum Priester geweiht, war er zuletzt Stadtpfarr-Kooperator in Hall. 1946 legte Hellrigl die Provision der Pfarre zurück und wurde Kooperator in Schwaz.
„Zweimal wurde Pf.Hellrigl von der Gestapo verhaftet und in den Kerker, im ehemaligen Hotel Sonne am Bahnhofsplatz in Innsbruck geschleppt; weiters zweimal von der Gestapo verhört und sogar mit dem Konzentrationslager bedroht. Zuerst wurde er vom 6. – 27.März 1940 in sogenannte Schutzhaft genommen, weil er eine Frau vor der Heirat mit einem von der Kirche abgefallenen Mann warnte, das nächstemal, weil er Sabotage an staatlichen Einrichtungen geübt habe. Die Sabotage bestand darin, daß er einen Knaben in die Kinderbewahranstalt in Mils geschickt hätte, daß dieser einige der Anstalt längst entwachsene Kinder zum Religionsunterricht in die Glaubensstunde hole. Natürlich waren es verschiedene bös gesinnte Leute der Gemeinde, welche dieses Vorgehen der Gestapo veranlassten.
Aus: Schreiben des Landesrats in Innsbruck an Pfarrer Richard Hellrigl in Mils bei Hall betreffend Entzug der Konfessionsunterrichtserlaubnis, 11.3. 1940.
„Ich widerrufe den Bescheid vom 31.10. 1939.Z1.1230/1/ Bewilligung zur Erteilung des unverbindlichen kath. Konfessionsunterrichts/ mit sofortiger Wirksamkeit.“
Darunter hat Dr.Hellrigl handschriftlich als Information für die AAI (Apostolische Administratur Innsbruck) folgende Bemerkung angebracht:/ „Am 6.3. 1940 wurde ich von der Gestapo der Freiheit beraubt und für 3 Wochen in Haft gehalten; daraufhin erfolgte am 11.3. 1940 die Widerrufung.“
Aus: Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Ampass an das Bezirksgericht in Hall wegen einer Sammlung für die Kirche Angezeigten Maria Benigni und andere, 4.9. 1946.
„Aufgrund einer Anzeige des Ortsgruppenleiters an den Kreisleiter Dr.Max Primbs vom 28.5. 1940 wegen der Haussammlung für die Kirche, wurden auf Grund gepflogener Erhebungen bzw. zu Ohren gehommener Gerüchte, Maria Benigni, Maria Hirschhuber sowie Hedwig Mair, nach Durchführung der Erhebungen seitens der Gestapo, vom Bezirksgericht Solbad Hall mit Geldstrafen belegt. Dr.Hellrigl konnte in dieser Sache von der Gestapo in Ibk. keine Schuld nachgewiesen werden.“
Die Genannten haben eigenmächtig für die Beleuchtungskosten der Maiandachten gesammelt.
Aus: Bericht von Sr.Arnolda Hörtnagl aus Zams an P.Johann Reiter in Ibk. über NS-Maßnahmen gegen die Kon-gretation der Barmherzigen Schwestern in Zams, 1981. Die Schwestern betreuen in Mils die Landestaubstummenan-stalt und das St.Josefs-Institut.
„Im Jänner 1939 wurde ein neuer Direktor in der Taubstummenanstalt von der NSDAP eingesetzt mit dem Auftrag, „die Kinder im NS-Geist zu erziehen“. Sofort wurden alle Lehrstellen der Schwestern im Schulamtsblatt ausgeschrieben, was aber ohne Erfolg blieb. Bei einer Lehrerkonferenz in Hall äußerte sich ein Lehrer auf die Frage, warum niemand sich für das Taubstummeninstitut meldet: „Für weniger Lohn und mehr Dienst ist kein Lehrer zu haben.“ Somit war die Schule im Taubstummeninstitut die einzige Schule, an der die Schwestern während des 2. Weltkrieges unterrichten durften.
Die Hilfsschule (ohne Öffentlichkeitsrecht) in Mils in Tirol, das St.-Josefs-Institut für geistig und körperlich Schwerstbehinderte, musste 1938 mit Ende des Schuljahres geschlossen werden.
1940 erhielt Sr. Oberin ein Schreiben, darin sie aufgefordert wurde, 123 Pfleglinge für den Abtransport nach Hartheim bei Linz bereitzuhalten. Nach Verhandlungen wurde die Zahl auf 69 herabgesetzt. 1941 wurden weitere19 Pfleglinge für Hartheim bestimmt. Nach Verhandlungen mußten nur zwei in die Heilanstalt nach Hall überstellt werden.“
Aus: Dankschreiben des Bürgermeisters von Mils an
Sr. Generosa Gleirscher vom St.Josefsinstitut Mils anläßlich der Enthebung vom Schuldienst, 31.7. 1939.
„Auf ihre überraschende Mitteilung von ihrer Enthebung vom Schuldienst in der Gemeinde Mils, fühle ich mich verpflichtet, für ihre vielen Bemühungen und Fleiß, welche sie in den vielen Dienstjahren hier als Schulschwestern bzw. Volksschullehrerin für die Schuljugend leisteten, ihnen im Namen der Gemeinde Mils hiefür herzlichst zu danken. Des weiteren teile ich ihnen mit, daß ich den Schwestern in Thurnfeld für die Benützung des dortigen Turnsaales durch ihre Volksschulklasse als Anerkennung eine Anweisung heute übersendet habe. Mit nochmaligen Dank für alle ihre Arbeiten und Opfer zur Hebung der Volksschule Mils zeichnet hochachtungsvoll,
Lahartinger/Bürgermeister“
Im Zuge der NS-Ausmerzung aller Unproduktiven wurden 1942 69 Personen aus dem St. Josefsinstitut nach Hartheim gebracht und dort vergast. Nur von drei Patienten kamen die Ascheurnen zurück.
Quelle: Hanspeter Tiefenthaler, Zur Pfarrgeschichte von Mils, Innsbruck 1984