Die nachtridentinischen Verhältnisse der Pfarre Mils im Spiegel der Visitationsprotokolle:
Kirchenvisitation im Allgemeinen:
Die kanonische Visitation ist der Besuch des aufsichtsberechtigten kirchlichen Obern zur Feststellung und Abstellung von Mängeln. Der Visitation unterliegen kirchliche Personen, Sachen und Anstalten. Visitationsprotokolle (VP) und Visitationsakten (VA) sind die protokollarischen Niederschriften des Hergangs und des Ergebnisses von Visitationen sowie der erteilten Anweisungen der Visitation in der visitierten Pfarre.
Geschichtlicher Überblick der Visitation:
Die kanonische Visitation ist ein uralter Brauch in der katholischen Kirche und geht auf die Zeit der Apostel zurück. Der hl.Paulus ermahnt die in Milet versammelten kirchlichen Würdenträger ausdrücklich: „Tragt Sorge für euch und für die gesamte Herde, in der euch der Hl.Geist zu Bischöfen bestellt hat, die Gemeinde Gottes zu leiten, die er sich erworben hat mit seinem eigenen Blut.“
Auf der Synode von Terragona in Spanien im Jahre 516 wurde die Visitation den Bischöfen zur Pflicht gemacht. Der Bischof hatte auf die Reinheit der Lehre und die Aufrechterhaltung der kirchlichen Disziplin zu achten. Er prüfte die Amtsführung der Geistlichkeit, besichtigte die Kirchen, erkundigte sich nach Sitten und Moral des Volkes und spendete häufig die Firmung. Gegen eventuelle Mißstände wurden an Ort und Stelle die notwendigen Maßnahmen getroffen.
Die kirchlichen Verhältnisse in der Pfarre Mils von 1577–1681:
Keine dieser ersten Visitationen wurde vom Bischof selbst durchgeführt. Er ließ sich stets durch von ihm eingesetzte Delegationen vertreten, bestehend aus mindestens zwei und höchstens vier Personen. An der Spitze dieser Kommission stand der Generalvikar, manchmal zusammen mit dem Weihbischof, der dann auch Weihehandlungen vornahm.
Vorgehen der Visitatoren:
Kamen die Visitatoren an einen Ort, so wurde manchmal mit einem Gottesdienst die Visitation eröffnet. Unverzüglich ging es an die konkrete Arbeit. Die Examinierung des Klerus war immer einzeln und erfolgte meist im Widum. Dabei wurden auch Priester über ihre Amtskollegen ausgefragt und der Mesner oder Kirchenprobst oder andere Laien, wie der Schulmeister oder der Gerichtsschreiber über den Klerus befragt. Nachher wurden meist die Bücher in Augenschein genommen, welche die Leute in den Widum bringen mussten, wobei die schlechten verbrannt wurden. Auch die Bibliotheken der Priester wurden auf häretische Bücher untersucht.
Hernach wurden Ungehorsame, damit sind Leute gemeint, die die Beichte und österliche Kommunion unterlassen hatten sowie Utraquisten vor die Visitatoren zitiert. Diese wurden über ihren Irrtum aufgeklärt und zur Besserung aufgefordert.
Die Visitierung der Kircheneinrichtungen, wie Kirchen oder Kapellen, Widum u.a. erfolgte manchmal vor der Examinierung des Klerus. Auch Weihehandlungen wurden ausgeführt. So weihte Weihbischof Jesse Perkhofer am 22.7. 1653 in der Pfarrkirche Mils den Seitenaltar zu Ehren des hl. Josef.
Den Abschluss der Visitation bildete meist die Ausstellung der Mandate an die einzelnen Priester. Je nach Schwere der aufgedeckten Verfehlungen verhängte man Strafen, wie Suspension, Absetzung oder gar Verbannung bei Priestern aus anderen Diözesen. Auffallend ist, dass die Visitatoren nach der Synode von 1603 wesentlich strenger vorgingen.
Die ersten VP stammen aus dem Jahre 1577 mit dem Datum 19. November. Die Visitation leitete damals Adam von Arz, Generalvikar. Georg Prunner war Pfarrer von Mils. Er gab die Zahl der Kommunikanten mit rund 200 an. Er erklärte, sein Vorgänger habe die Leute auf Abwege geführt, indem er die Beichten nur „in genere“ (oberflächlich) gehört und die Kommunion unter beiden Gestalten gereicht habe. Er, Prunner, habe sie wieder auf den rechten Weg zurückgeführt, nur eine alte adelige Witwe, namens „Pairin“, sei noch Utraquistin.
Auch zeigte Prunner an, er habe unter den Büchern seines Vorgängers häretische gefunden. Man trug ihm auf, sie zu verbrennen. Vom Seelsorger in Baumkirchen, der Kooperator „sui iuris“ war, berichtete er, er lebe ausschweifend und sei glaubensverdächtig. Prunner wurde als guter Hirte angesehen, der ein priesterliches Leben führte, d.h. er hatte keine Konkubine. Er wurde zum Dekan des Unterinntales ernannt.
Prunner gab an, die letzte Ölung nur zwei Personen seit seinem Einstand gespendet zu haben. Wie in Baumkirchen, so wurden auch in Mils ungetauft verstorbene Kinder außerhalb des Friedhofs an der Friedhofsmauer begraben. Er klagte auch über die gestiftete Messe für die einst ein eigener Priester da war, doch könne bei den geringen Einkünften von 60 fl heute keiner mehr leben. Der Weihbischof Johann Nas zelebrierte zuerst eine Messe und spendete dann die Firmung. Wolfgang Eder, Kurat in Baumkirchen, bezifferte die Zahl der Kommunikanten auf 300.
Schwarzenberger gab an, vor acht Jahren „ex praesentatione“ des Erzherzogs Ferdinand des II. vom Bischof, in Mils und Baumkirchen als Pfarrer eingesetzt worden zu sein. Er musste außer an Sonn- und Feiertagen dreimal in der Woche zelebrieren. Die Zahl der Kommunikanten für Mils und Baumkirchen gab er mit 550 an. Schwarzenberger kam aus der Diözese Freising und war Konkubinarier.
Georg Eisenreich, der Kurat in Baumkirchen war, wurde nach Mils gerufen. Eisenreich erklärte, „vicarium curatum parochi“ zu sein. Er war verpflichtet, zweimal unter der Woche und an Sonn- und Feiertagen die Messe zu lesen. Außerdem müsste er jeden zweiten Samstag in der Kirche zum hl.Michael in Gnadenwald zelebrieren, doch er sei mit dem Pfarrer übereingekommen, auch in Baumkirchen zelebrieren zu können. Die Konkubine habe er entfernt, beteuerte der Kurat, doch komme sie manchmal zurück, um (von ihm) Geld herauszupressen.
Eckhart war seit 1597 Pfarrer von Mils. Er hatte ein Buch zur Einschreibung der Getauften und Getrauten. Die Jesuiten lehrten in der Fastenzeit den Katechismus. Bemängelt wurde, dass am Aschermittwoch teilweise noch ausgelassene Faschingsfeiern gehalten wurden. Den Pfarrhaushalt führte die alte Konkubine des Pfarrers. Die Kirche war wegen eines Erdbebens baufällig. Eckhart gab die Zahl der Kommunikanten in Mils mit 250 an. Bei einigen fand er häretische Bücher, die er zerfetzt hatte.
Die Leute hielten die Feste der Kirchenpatrone. Eckhart wurde wegen seines langen Bartes getadelt und weil er über einem Auge eine Wunde hatte, die er sich, so vermuteten die Visitatoren, im berauschten Zustand zugezogen hatte. Er musste eine Rüge über sich ergehen lassen und wurde mit einer Geldstrafe von 30 fl belegt, weil er manchmal seine Konkubine Elisabeth in Schwaz besuchte. Man fand bei ihm drei häretische Bücher.
Karl Hatt hatte das Frühmesserbeneficium „ex collatione“ des Generalvikars inne. Dieser beklagte, dass er keine Stiftsbriefe zu sehen bekommen habe und deshalb nicht wisse, wozu er verpflichtet sei. Vom Pfarrer zeigte er an, dass er, wenn er betrunken sei, das Volk in der Kirche ungerechterweise beschimpfe. Max Kern klagte den Pfarrer an, dass er ihn vor vielen Leuten beschimpft und geschlagen habe, weshalb er Wiedergutmachung verlange. Als Entschuldigung brachte er vor, dass dies im Zorn und im betrunkenen Zustand passiert sei. Der Pfarrer versprach Kern die Auslagen zu ersetzen. Von den fast 300 Kommunikanten hatten zwei nicht gebeichtet, weshalb sie eingesperrt wurden. Nach der Aussage des Pfarrers beichtete man „in specie“ (in Angesicht). In der Advents- und Fastenzeit lehrte Eckhart den Katechismus. Er gestand, seiner Aufgabe als Pfarrer nicht mehr gerecht zu werden; seine Trunksucht und sein Jähzorn sei der Grund dafür, wird dazu bemerkt.
Die Bauern brachten verschiedene Klagen gegen den Pfarrer vor, u.a., dass er sie häufig beschimpfe und beleidige, er oft betrunken sei, nicht zelebriere und predige, wann er müsste. Da sich diese Auseinandersetzungen zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde schon über einige Jahre hinzogen, legte man ihm nahe, sich auf Maria Lichtmess um eine andere Stelle umzusehen. Der Weihbischof spendete 125 Personen die Firmung.
Eckhart war trotz gegenteiliger Anordnung der Visitatoren von 1610 noch immer Pfarrer in Mils. Auf die Frage, was er in den 15 Jahren als Pfarrer von Mils geleistet habe, zählte er folgendes auf:
- Die Leute beichteten in specie.
- Das Fastengebot werde mehr geachtet.
- Es gab keine Glaubensverdächtige mehr.
- Die Leute blieben bis zum Schluss des Gottesdienstes in der Kirche.
Zu Ostern waren einige nicht zu den Sakramenten gegangen. Zwei haben auch gegen den katholischen Glauben gesprochen. Die letzte Ölung war nun im Brauch. Der Katechismus wurde nicht mehr gelehrt. Der Pfarrer hatte sich bezüglich seiner Trunksucht nicht gebessert. Das Frühmesserbenefizium war seit zwei Jahren vakant.
Bei der Visitation von 1614, die H.O. Agricola leitete, ist im VP mangelnde Sauberkeit im Tabernakel vermerkt.
Trotz Verbot waren im Volk die magischen Künste ziemlich verbreitet. In Mils betrieb ein altes Weiblein Allchemie. Der Pfarrer Georg Eckhart beklagt sich über Hand- und Fußgicht. Das Frühmeßbenefizium war wegen des dürftigen Ertrages weiterhin unbesetzt.
1627 visitierte Johannes Baptista de Thono . Vermerkt ist, dass die Christenlehre wenigstens in der Advents- und Fastenzeit den Synodalstatuten entsprechend gelehrt wird.
Bei der Visitation von 1645 unter Jesse Perkhofer ist vermerkt, dass die Leute, wenn nötig, mit Hilfe der weltlichen Behörde in die Kirche getrieben werden sollten.
Bei der Visitation von 1662 ist von einem beschädigten Dach und zerbrochenen Fenstern in der Pfarrkirche die Rede. Visitator war Paulinus Mayr, Pfarrer Georg Schiechl. 1666 visitierte ebenso Paulinus Mayr. Die Pfarrkirche war ordentlich und schön ausgestattet. Ohne Mängel zeigte sich auch die Friedhofskapelle. Einige Glaubensverdächtige wurden aufgespürt, und der Pfarrer bat um die Lizenz, häretische Bücher zu lesen, um diesem Übel wirksam begegnen zu können.
1681 visitierte Constantin Caldonazzi, Damian Gienger war Pfarrer. Das Mesnerhaus erschien reparaturbedürftig. Im Winter taufte der Pfarrer im Widum. Die Frauen mussten abgehalten werden, Taufwasser zu trinken. Religionsunterricht wurde von den Jesuiten gehalten. Das VP von 1602 berichtet, dass der Möltische Beneficial Bernardius Rubens in seinem Beneficiatenhaus etlichen Knaben Religionsunterricht aus dem Katechismus Canisiani gab und sie zu Ministranten unterrichtete. Schwerhörige beichteten in der Sakristei, was auf die erfolgte Anschaffung von Beichtstühlen mit Zwischengittern hinweist. Die Pfarrbücher waren ordentlich geführt, wie es auf der Diözesansynode von 1603 gefordert wurde.“) Die Hebammen wurden unterwiesen zwecks Nottaufen. Nur gut vorbereitete Kinder wurden zur Erstkommunion zugelassen. Trauungen fanden nur an Werktagen statt. Der Pfarrer glaubte durch seine Freizeitbeschäftigung, die Jagd, nicht Ärgernis zu erregen. Wein verkaufte er nur seinen Bediensteten. Der Pfarrer trug ständig einen Ring, den er wie die Visitatoren verlangten, wenigstens bei der Messe ablegen sollte.
Zu den primären religiösen Verpflichtungen der Gläubigen gehörten die Sonntagsheiligung, Messe- und Predigtbesuch, der Sakramentenempfang, die Einhaltung des Fastengebotes und religiöse Übungen, wie Prozessionen. Es wurden auch Beichtregister zur systematischen Kontrolle über den Empfang des Bußsakramentes geführt.
Zur Liturgieform sagt Stadlhuber: „P.P.V. 1566–1572, hatte den Ordinarien zur Pflicht gemacht, die in vielfältige Zweige zerspaltene Liturgie zu vereinheitlichen und der römischen Mutterkirche anzupassen.“ Der Frühmesser von Mils, Bernardius Rubeus, berichtet über seinen Pfarrer Georg Eckhart, der aus der D.Konstanz stammt, dass dieser bei der Messe teilweise nach dem Römischen‑, teilweise nach dem Salzburgischen- und teilweise nach dem Brixnerischen Messritus vorgehe. Bischof Christian IV. Andreas von Spaur (1601−1613) verfügte 1604, daß nur noch das Römische Missale und das Römische Brevier benutzt werden dürfen.
Quelle:
Hanspeter Tiefenthaler, ZUR PFARRGESCHICHTE VON MILS, Diplomarbeit, Innsbruck 1984