Die Marienwallfahrt von Mils, ihre Entstehung und Geschichte
Die Entstehung der Pfarre Mils ist eng mit der Marienwallfahrt verknüpft. Die Marienkirche von Mils war bis zum Kirchenbrand 1791 eine vielbesuchte Gnadenstätte, zu der aus der näheren und weiteren Umgebung Wallfahrten durchgeführt wurden. Es dürfte tatsächlich so sein, dass das Marien – Patrozinium deshalb gewählt wurde, weil vorher schon ein Marienheiligtum vorhanden war. Ursprünglich wird das Milser Gotteshaus als Kirche zu „Unserer Lieben Frau“ bezeichnet und erst später lautet das Patrozinium „Mariä Himmelfahrt“.
Nach einer alten Legende sollen drei Bauernburschen in eine breitstämmigen Eiche, die sie soeben gefällt hatten und zersägen wollten, eine Marienfigur entdeckt haben. Zwei Daten werden für diesen wunderbaren Fund überliefert: Das Jahr 908 und das Jahr 992. Als Ort der Auffindung ist eine Weggabelung auf halber Strecke zwischen Mils und Baumkirchen überliefert, wo sich heute das sogenannte „Auffindungsbildstöckl“ befindet. Tatsache ist auch, dass es in dieser Gegend vor Jahrhunderten ausgedehnte Eichenwälder gab, deren Reste noch an den südlichen Rändern des Milserwaldes und am Abhang des Schuttkegels in Richtung Baumkirchen zu sehen sind.
In der Kulturgeschichte gibt es unzählige Beispiele für die Verbindung zwischen Gnadenbild und Baum. Schon bei der Naturreligionen war die Verehrung von Bäumen verbreitet. Reste davon befinden sich im Brauchtum des Maibaumes, des Palmbuschens und des Pfingststrauches. Der Baum gilt als Symbol des Lebens und auch der Auferstehung, er symbolisiert Wiedergeburt, Fruchtbarkeit, Offenbarung und Erkenntnis.
Ähnliche Baumlegenden wie in Mils gibt es an den niederösterreichischen Wallfahrtsorten Maria Dreieichen , Maria Taferl und Hocheneich, bei denen jeweils eine Eiche eine Rolle spielt. Auch das Stift Zwettl im Waldviertel verdankt einer im Winter grünenden Eiche seine Gründung. In Maria Larch bei Terfens und Maria Waldrast ist es jeweils eine Lärche, in der das Gnadenbild gefunden wurde bzw. befestigt war. An anderen Orten wiederum sind es Linden (Weihenlinden bei Bad Aibling) oder andere Bäume. In Wilten sollen bereits römische Soldaten ein Marienbild unter vier Bäumen verehrt haben. Auch in Italien gibt es immer wieder Zusammenhänge zwischen Gnadenbildern und Bäumen, z.B. Santa Maria delle Quercia bei Viterbo.
Heute besitzen wir zwar das ursprüngliche wahrscheinlich romanische Gnadenbild der Milser Muttergottes nicht mehr. Dieses dürfte einem Kirchenbrand von 1415 zum Opfer gefallen sein. Die jetzt am linken Seitenaltar aufgestellte Madonnenfigur stammt vermutlich aus der Zeit um 1420. Darauf deutet nicht nur der noch erkennbare gotische weiche Stil der Figur hin, sondern auch eine Stiftungsurkunde der Baronin Maria von Schneeburg von 1694 für die ehemals an die Kirche angebaute Gnadenkapelle. Darin heißt es, dass sich das Bild schon 274 Jahre der wundertätigen Verehrung erfreue, woraus sich die Jahreszahl 1420 errechnen läßt.
Viele Wallfahrer kamen im Laufe der Jahrhunderte nach Mils und beteten vor der Madonna und erflehten ihre Fürsprache bei Gott. Selbst Mitglieder des kaiserlichen Hauses lenkten ihre Schritte zum Milser Heiligtum. Die zweite Gemahlin Herzog Friedrichs mit der leeren Tasche, Herzogin Anna kam 1424 hierher. Als im Jahre 1447 fast ganz Hall einem Stadtbrand zum Opfer fiel, bei dem es etliche Tote gab, gelobte der Stadtrat alljährlich am Donnerstag vor dem Palmsonntag einen Kreuzgang zu Unserer Lieben Frau nach Mils. Derartige Wallfahrten sind uns aus den Jahren 1451, 1463, 1464 und 1470 überliefert. Auch Bauern aus dem Stubaital und Knappen von Schwaz kamen öfters prozessionsweise hierher. Kaiser Maximilian soll um 1500 Samt und Schmuck zur Bekleidung der Milser Gnadenmutter gestiftet haben. Erzherzogin Anna Katharina, die zweite Gattin Ferdinands II., hielt sich öfters im später abgebrannten Jagdschloss Grünegg in Mils auf und verehrte die Milser Madonna. Auch die Serviten, die 1620 nach dem Brand ihres Klosters in Innsbruck für einige Jahre ihr Domizil im Schloss Grünegg aufgeschlagen hatten, trugen als Orden, der sich der Marienverehrung verschrieben hatte, sehr zur Bedeutung der Milser Wallfahrt bei. Im 17.Jahrhundert zogen die Kongreganisten des Innsbrucker Gymnasiums in Prozessionen nach Mils. Von der Landesfürstin Erzherzogin Elisabeth ist im Jahre 1783 ein Besuch bei der Milser Madonna überliefert.
Mit dem Kirchbrand von 1791 ging es mit der Wallfahrt dem Ende entgegen, obwohl die Muttergottesfigur diesmal vor den Flammen gerettet werden konnte. Gerade in die Zeit des Kirchenneubaues fiel die Erscheinung des Absamer Gnadenbildes. Dieser neue Gnadenort hat schließlich Mils den Rang abgelaufen. Wohl gab es noch vereinzelte Wallfahrten und Votivgaben, aber zu einer überregionalen Wallfahrt ist Mils nicht mehr geworden. 1801 hat die Gemeinde Mils aus Anlass der damaligen Viehseuche eine Votivtafel
malen lassen. Im Jahre 1908 gab es noch eine große „Säkularfeier“ zum Jubiläum 1000 Jahre Wallfahrtsbild mit dem Abt von Wilten und den Musikkapellen von Mils, Rinn und Volders. Heute ist die Wallfahrt nach Mils praktisch erloschen, wenn man von dem jährlich am Dienstag vor dem Christihimmelfahrtstag von der Pfarre Baumkirchen nach Mils veranstalteten Bittgang absieht. Dennoch wird das Milser Gnadenbild nach wie vor von der Dorfbevölkerung hoch verehrt, wie aus den vielen vor dem Gnadenaltar brennenden Kerzenlichtern zu ersehen ist.
Ursprünglich befand sich die Gnadenstatue in einer Nische des Presbyteriums der Kirche, kam 1696 in eine an die Pfarrkirche angebaute Kapelle. 1762 wurde das Gnadenbild auf den Hochaltar gesetzt. 1785 musste auf Anordnung Josefs II. der Mantel der Figur abgenommen werden. Im Inventar von 1767 werden 13 Kleider für die Muttergottes und 17 Kleidchen für das Jesukind erwähnt! Diese Gegenstände und viele andere Votiv- und silberne Opfergaben – es muss sich um einen wertvollen Kirchenschatz gehandelt haben – mussten auf Grund der Anordnungen Josefs II. an das Landgericht Thaur abgeliefert werden. Aber bereits 1800 ließ Pfarrer Popp nach Aufhebung der Josefinischen Gesetze bei den Ursulinen in Innsbruck einen neuen goldbestickten Rock für das Gnadenbild um 121 Gulden anfertigen. Nach dem Kirchenbrand wurde es in feierlicher Prozession in die Annakirche übertragen. Nach Fertigstellung des Kirchenneubaues scheint, das Gnadenbild auf den linken Seitenaltar gekommen zu sein, wo es sich auch heute noch befindet. 1858 wurde es der „zopfigen Mode“ neuerlich entkleidet, durch den Bildhauer Müller aus Hall restauriert und am 20. Feber 1858 in feierlicher Prozession aus der Franziskanerkirche in Hall nach Mils geleitet. Die letzte Restaurierung des Gnadenbildes fand im Jahre 2001 statt.