Gleich zwei Theaterstücke zum Thema „Bildung“ werden von der Volksbühne zum Besten gegeben.
Theaterkritik von Peter Teyml
MILS. Im ersten Stück „Die Proseccomütter“ hat es sich der Neo-Autor und Spielleiter Josef Waldner zur Aufgabe gemacht, täglich strapazierte Schlagworte und Gemeinplätze, Genderauswüchse, Rassismusängste, modische Torheiten etc., welche die Gespräche einer typischen Kaffeehaustratschrunde dominieren, zur Schau zu stellen und damit Gesellschaftskritik auf humorvolle Weise zu transportieren.
Drei Mütter entwerfen bei reichlichem Proseccokonsum in einer Bar ein Zukunftsszenario ihrer angeblich hochbegabten Kinder – nicht Bildung hat jedoch oberste Priorität, sondern Erfolg – Prominenz, Kohle. Zwei Jugendliche, in ihrer scheinbaren Coolness der krasse Gegensatz zu den Bussi-Bussi-Damen hauen gleich wieder ab, der kurdische Ober zitiert Hermann Hesse und Mark Twain, letztendlich lassen die Damen ihre Masken fallen, enthüllen innere Leere, Aggressivität und Einsamkeit.
Der häufige Szenenapplaus ist jedoch nicht immer Indiz für reines Theater, hier wird hart an der Grenze zum Kabarett gespielt, Plakatives bleibt daher in diesem Verfahren nicht aus, trifft aber meist den Nagel auf den Kopf.
Bettina McTague als Mutter 1 ist eine hinreißend hysterische ideologische Fanatikerin, Barbara Jeitler gibt glaubwürdig die von apokalyptischen Wahnzwängen beherrschte Mutter 2, Bettina Hilber setzt geschickt und lebendig ihren Part als Mutter 3. Marco Leidlmar ist als Kellner ein starker und sprachlich konsequenter Ausländer, Ulrich Fuchs beherrscht das richtige Timing für die Rolle als still beobachtender Gast mit sparsamen Einwürfen.
Professor wird zum Mörder
Im zweiten Stück, auf ganz andere Art und Weise dem gleichen Thema verbunden, lässt der große Autor Eugen Ionesco in einem vor 75 Jahren geschriebenen Stück (inszeniert im bürgerlichen Milieu der 20er-Jahre) einen privat unterrichtenden Professor zum Lehrer und Mörder einer bildungswilligen jungen Dame werden.
Der Autor geißelt damit das damalige Schulsystem, welches sich offenbar bis heute nicht grundsätzlich gewandelt hat. Andreas Penz hält mit Text, Mimik und Gestik die Figur des Professors temporeich, originell und lückenlos fest in der Hand, Helga Föger-Pittl als Haushälterin ist der gequälte, aber kongruent wirkende Gegenpol zu ihm. Julia Plainer, schon bekannt vom TPZ-Hall, lebt geradezu die Rolle der naiven, hübschen, immer mehr bedrängten Schülerin – charmant, ausdrucksstark und lückenlos.
Dass mit dieser Produktion die Milser Bühne aus dem üblichen Genre ausbricht und Neuland betritt, ist mutig, trifft den Zeitgeist und befriedigt auch eine Klientel in Mils und Umgebung, die ja zum größeren Teil keine ländliche mehr ist, sondern eine zugezogene urbane. Eine schöne und herausfordernde Aufführung, toll gemeistert, auch ausstattungsmäßig sauber gelöst, bis 2. Dezember noch am Spielplan.
Quelle: Bezirksblatt, Dezember 2011