MILSER GESCHICHTE(N)
bearbeitet und erzählt von Mag. Fritz Tiefenthaler
Paula Hornsteiner-Tiefenthaler
Sie verzeihen es mir hoffentlich, lieber Leser, dass ich mich, anlässlich des Bezirkstrachtenfestes, wieder einmal mit einer Verwandten, einer meiner Großtanten beschäftige.
Die am 5. September 1881 als älteste Tochter der Wirtsleute Johann Tiefenthaler und Antonia geb. Aigner geborene Künstlerin Paula Hornsteiner-Tiefenthaler widmete nämlich einen wesentlichen Teil ihres umfangreichen Werkes der Dokumentation und Darstellung der Tiroler Trachten.
Die in Zusammenarbeit mit mehreren Tiroler Verlagen entstandenen Postkarten-Serien im Vierfarbendruck, die sich mit den verschiedenen Taltrachten unseres Landes beschäftigten, waren nicht nur ein künstlerischer, sondern auch ein finanzieller Erfolg. Viele Milser standen der „Tiefenthaler Paula“ in ihren Ateliers in Mils und in Hall in unterschiedlichsten Trachten Modell und wurden so für die Nachwelt festgehalten. Besonders beeindruckend sind die, früher im Saal des Gasthauses ausgestellten Trachtenscheiben mit Portraits von Mitgliedern ihrer Familie und Milser Freunden. Als die Musikkapelle Mils und die Schützenkompanie Mils 1923 ihre von der Kompanie noch heute getragene Tracht erhielten, griff das Organisationskomitee und der Gemeinderat auf einen früheren, gemeinsamen Entwurf des Haller Künstlers Josef Bachlechner und Paula Tiefenthalers zurück.
Weit über den Ort hinaus war sie eine überaus geschätzte Expertin in Fragen der lokalen Eigenheiten der Tracht.
Der Milser Oberlehrer Josef Glatzl (Tiroler Heimatblätter, 26. Jg. 1951) und Dr. Hans Hochenegg (Waldehefte, 6. Heft, 1957) beschrieben Werk und Leben der Künstlerin in mehreren Aufsätzen. Auch Herbert Zimmermann beschäftigt sich in seiner Heftreihe und in seinem Dorfbuch ausführlich und im Detail mit ihrem Schaffen, aber auch mit ihren vielfältigen Aufgaben in Milser Vereinen, der Pfarre und der Gemeinde.
Laut Hans Hochenegg war sie eine jener Künstlerpersönlichkeiten, „die wenig von sich reden machen, die fern stehen der krampfhaften Sucht durch Modeschöpfungen aufzufallen, dafür aber durch ein stilles, gediegenes Schaffen einen großen Freundeskreis gewinnen.“
Schon zur Schulzeit entdeckte man ihr Maltalent. Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Innsbruck und dem Privatunterricht bei Haller Künstlern, trat sie noch vor ihrem 20. Geburtstag in die Damen-Akademie in München ein und studierte bei Prof. Knirr. Ob die von Josef Glatzl und Hans Hochenegg erzählte Anekdote über ihr Zusammentreffen mit dem berühmten Tiroler Maler Franz v. Defregger, damals Professor in München, der Wahrheit entspricht, kann ich nicht beweisen. Die auch in meiner Familie immer wieder einmal erzählte Geschichte verweist allerdings auf ihr herausragendes zeichnerisches Talent und auf ihre Heimat- und Familienverbundenheit. Franz v. Defregger soll die junge Malerin bald wieder nach Tirol geschickt haben und ihr folgenden Rat mitgegeben haben: “Malen Sie weiter wie Sie es gewohnt sind. Hier an der Kunstakademie könnten Sie nur aus Ihrer Bahn gerissen werden und mehr verlieren als gewinnen.“
Also konzentrierte sie sich in der Heimat auf ihre Stärken, die Blumenstillleben, die Darstellung der Gebirgslandschaften, Almen und Wegkreuze und insbesondere das Portrait. Sie wagte sich auch an Altar- und Fahnenbilder und schuf die Kulissen für das Milser Ostergrab aber auch für Theateraufführungen. Ein besonders gelungenes Bild ist auch das Titelbild der Milser Schützenchronik aus dem Jahr 1926.
Ihre Landschaftsbilder, aber vor allem die meist als Aquarell oder in Öl ausgeführten Darstellungen der Almen der näheren und weiteren Umgebung entstanden zunächst als Skizzen in einem mitgeführten Malbuch, in dem auch die Stimmung und die Farben genau festgehalten waren. Fertig gestellt wurden die Bilder dann in ihren Ateliers in Mils (das heutige Bürgermeisterzimmer im Schallerhaus) und später in der Eugenstraße in Hall, wohin sie nach ihrer Vermählung gezogen war.
Mein Vater und seine Brüder wurden so während eines Aufenthaltes auf der Wazalm im Wattental 1937 in kleinen Portraits festgehalten. Gedacht war der die Almzeit eigentlich als Sommerfrische mit einer jener Tiefenthaler-Tanten, die die Buben nach dem frühen Tod ihrer Mutter wie Patenkinder betreuten, um ihre neue Mutter zu entlasten. Trotz der anstrengenden Aufsicht über die lebhafte Gruppe blieb noch Zeit für ein paar Malstunden.
Ihre Leidenschaft für die Malerei und die dabei verwendeten Farben waren der Grund für eine schwere Blutkrankheit, an der sie in ihren letzten Lebensjahren schwer zu tragen hatte. Mit knapp über sechzig Jahren starb sie, wie die Autoren schreiben, hochverehrt und geachtet am 17. Mai 1942 in Hall.
Siehe auch: Hornsteiner-Tiefenthaler: Trachten-Postkarten